Andreas Spiegler

Schreiben. Stolpern. Schluckauf.

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Autopilot

Die ersten Sonnenstrahlen kratzen am Fensterrahmen. Ich spüre deinen Atem. Deine warme Haut. Merke wie auch du langsam wach wirst und mich beim Grübeln entdeckst. Ertappt schließe ich plötzlich meine Augen und kippe langsam wieder ins Schwarze. Suche Zuflucht in aufgewärmten Träumen. Ausgefranzte Gedankenfetzen mit Szenen der letzten Wochen. Gespräche. Spaziergänge. Küsse. Deine Hand in meiner. Fühlt sich gut an. Fühlt sich seit langer Zeit wieder ehrlich an. Du streichelst zärtlich meine Wange und ich stoppe den Film im Kopf. Schaue dir in die Augen, die weit geöffnet meinen Blick erwidern. Kontern. Ich kontere deine Bewegung und lehne mich in sie. 

Herzklopfen. Bei einem von uns schneller. „Heute wird ein schöner Tag“ sagst du überzeugt. Deinen Optimismus bewundere ich schon immer. Doch heute realisiere ich erstmalig, wie er mich auch schmerzt. Ich zucke zusammen, was dir natürlich nicht unbemerkt bleibt. Du lässt dir das nicht anmerken, was mich noch mehr schmerzt. Ich suche Konfrontationen. Den ständigen Austausch. Das aneinander Reiben. Es hilft mir dabei zu erkennen, was ich brauche. Wohin ich mit einer Person gehen will. Wie weit ich gehen will. Im Moment möchte ich am liebsten zurückgehen. Zu dem Tag, an dem das alles so schwierig wurde. An dem ich verlernte habe mich fallen zu lassen. Seitdem mit Sturzhelm und Knieschoner am Treiben. Manchmal euphorisch außer Atem. Zu oft leise und unauffällig. Ängstlich vor dem großen Sprung. Auch dich halten Dinge am Boden – und doch sehe ich dich neidisch mit deinem kindisches Grinsen neben mir liegen. 

Mit meinen kleinen Bewegungen reiße ich Kluften zwischen uns. Unsere Körper versinken Millimeter für Millimeter. Und obwohl sich dieses Gefühl zu zweit eine Zeit lang gut anfühlt, sind meine Gedanken wieder ganz woanders. Ich trage deine Geheimnisse bei mir. Du hast sie mir verraten und ich nehme sie auseinander. Bekomme Schicht für Schicht das Gefühl gerade den selben Fehler zu machen. Den selben Fehler, den die anderen zuvor gemacht haben. Das selbe Verhalten, das uns zusammen gebracht hat. An einen Tisch auf der Schanze. Müdigkeit und Enttäuschung über sich wiederholende Sätze. Immer die gleichen Abläufe. Haben uns geschworen alleine zu bleiben. Bei Bier und Toast. Michael Jackson im Hintergrund. Alles verschwommen. Regen auf meiner Haut. Ich grinse dich an. Du nimmst einen großen Schluck und Michael Jackson kippt. Wie wir beide am selben Abend. 

Gleich wirst du mich fragen. Nach den Schatten, die an der Zimmerdecke lauern. Du wirst mich aus dieser Kopfschleife reißen. Und ich… Ich übergebe an den Autopiloten. Er wird diese Sätze formen. Mich erklären. Mein Verhalten feinsäuberlich beschreiben. Und währenddessen sehe ich deine Tränen. Sehe sie aufs Kissen fallen. Alles nassgrau. Ich hasse mich in diesen Minuten. Sehe mein Spiegelbild in deinen Augen. Sehe es im Fenster der Bahn. Emotionslos. In mir alles ein Trümmerfeld. In dir alles ein Trümmerfeld. Dein Strahlen habe ich dir genommen. Hab nicht das Recht es zu tragen. Der Autopilot hat aber alles im Griff. Sein Blick sucht den Horizont – während er sorgsam darauf achtet, dass keiner von uns fällt. Ich stelle ihn mir mit grauen Haaren vor. Kleine Falten auf seiner Stirn, jedes Mal wenn ich unerlaubt zu stammeln beginne. Deshalb schweige ich. 

Stehen beide wieder am Anfang. Um uns herum Koffer voller Lebensabschnitte. Laute Durchsagen und meine Hände tief in den Hosentaschen. Ohrenbetäubender Lärm. In mir alles taub. Entschuldige mich wortlos. Spüre ein letztes Mal deine Lippen an meinem Hals. Schockstarre. Die Sonne längst untergegangen. Meine Haut abgekühlt. Und der Tag war alles andere als schön. Ich hoffe nur dein Autopilot macht das wieder gut, was fehlender Mut und ein stolperndes Herz angerichtet haben. 

Während du verschwindest und dein Duft der letzte Beweis bleibt, gibt mein Autopilot das Ruder an mich. Bin jedoch zu müde und lasse mich treiben. Schon wieder…

Ist da sonst noch wer?

Die Schuhe dreckig. Meine Beine verkratzt. Kleine Schnitte eingesammelt auf Abkürzungen. Dachte ein Glitzern erkannt zu haben. Aus der Ferne nur ein heller Punkt. Bin abgebogen. Querfeldein. Schatten und Sonne im ständigen Wechsel. Angetrieben durch eine kleine Melodie. Leise doch bestimmt. Gerade zu in unbekanntes Terrain. 

Tunnelblick. Die Kanten verschwommen. Der Horizont nach innen gewölbt. Alles findet sein Ende inmitten von Licht. Mit jedem Schritt ein Gedanken abgeschüttelt. Deine Hand fest in meiner. Leichte Schmerzen. Sie bleiben nichtig im Vergleich zum Brennen im Brustkorb. Was am Schluss auf mich wartet, kann nur ein Ende zeigen. Nur ein Ausstieg, den man sich nicht einfach so traut. Und so renne ich. Mal aufrecht. Dann wieder stolpernd. 

Jeder Schritt lässt mich leichter werden. Jeder Meter die Farben blasser. Die Melodie verschwindet. Und mit ihr verschwindest du. Hast langsam losgelassen. Zu viele Wünsche meinerseits. Zu viele Ängste deinerseits. Ein sich wiederholendes Muster fegt nach und nach die Hoffnung hinaus. Lässt alles so sauber und ordentlich erscheinen. Gewollt gekonnt. Doch ungewollt gescheitert. Der Tunnel enger. Die Augen weiter. Tränenbedeckt. Schwarzgrau. 

Immer wieder erstrahlen Dinge vor dem eigenen Auge – wie eine Blume. Und dann kommt ein Luftzug. Ein Windstoß. Der alles aus dem Gleichgewicht bringt. Und das scheinbar Perfekte fliegt in alle Richtungen. Man versucht es einzufangen. Die ganzen kleinen Teile wieder an sich zu binden. Doch vergeblich greifen müde Hände in alle Richtungen. 

Nach Sturm folgt das große Aufräumen. Lege Gedankenburgen und Traumschlösser wieder zusammen. Gefaltet wandern sie in den Schrank. Tür verschlossen. Umgedreht. Setze mich in die Mitte meines Zimmers. Da ist keine Melodie. Das einzige Glitzern erkenne ich im Badfenster der Nachbarn. Meine Hände gefaltet in meinem Schoß. Weiß mittlerweile wer ich bin. Wo ich bin. Aber ist da sonst noch wer?

Euforia

Dieser Moment, wenn man die Neuheiten in Spotify durchstöbert und grinsen muss. Wenn ein Lieblingskünstler unerwartet frische Melodien teilt. So geschehen mit OK KID. Ihr zweites Album ist vollgepackt mit unterschiedlichsten Stimmungen und überrascht mit doch recht ernstem Inhalt. Ihre Abneigung gegen gute Menschen zeigte bereits vor einigen Monaten deutlich, dass auch Politik nicht an den Dreien vorbeigeht. Sie singen aber auch weiterhin über Herzschmerz. Ich mag das neue Album sehr – aktuelles Lieblingslied ist Euforia. Oder Kaffee Warm 3. Oder Wisch & Weg im Remix mit Mädness. Starkes Album. Freue mich sehr auf ihren Auftritt beim Dockville.

Neben OK KID begleiten mich viele andere neue Stimmen durch den Tag. Eva Schulz teilte ihre persönlichen Podcast-Empfehlungen. Und diese eigenen sich super für Fahrten in der Bahn, Warteschlangen beim Bäcker oder das Schnibbeln von Fenchel. Hier eine kleine Liste meiner persönlichen Favoriten:

Apropos Böhmermann. Ein Kommentar von Oliver Kalkofe, dem ich nichts mehr anfügen kann. Habt einen guten Start in die neue Woche – trotz Schnee im April.

Es geht auch anders

Was für eine verrückte Woche. Nach den erschreckenden Wahlergebnissen für eine Partei, deren Programmentwurf radikal gegen Ausländer hetzt und Alleinerziehende, Alkoholiker oder psychisch Kranke verurteilt, würde ich am liebsten schreien. Dazu kommen Todesfälle, die einen zum Nachdenken bringen – natürlich erst dann, wenn es zu spät ist. Deshalb will ich ab jetzt regelmäßig schöne Dinge sammeln. Nicht um von den genannten Themen abzulenken. Im Gegenteil. Aber ich möchte zum Ende einer Woche auch auf diese Momente & Fundstücke zurückschauen. Sie teilen und mich auf die kommende Woche freuen. 

Mal wieder verbrachte ich ein paar Tage in Wien. Mit dem Abschluss einer Projektphase war auch ein Grund zum Anstoßen gegeben. Zuerst mit vietnamesischen Essen im ra’mien, einem wunderschönen Restaurant inmitten von Wien. Und in Hamburg bei Torcello, einem kleinen Italiener mit einem Nachtisch zum Hineinlegen. Optimaler Urlaubsbeginn.

Von der Straße über YouTube nun auf dem Weg in die großen Hallen – die Band AnnenMayKantereit hat ihr erstes Album veröffentlicht. Einige Lieder hat man bereits gehört – was die kratzigen Balladen über Liebe oder die Großstadt aber nicht weniger hörenswert machen. Anfang April spielen sie auch in Hamburg!

Wie wäre es außerdem mit Journalismus, der mögliche Schritte aufzeigt. Nicht nur Probleme anspricht, sondern auch Wege aus diesen Situationen formuliert. Perspective Daily ist ein Crowdfunding-Projekt mit genau diesem Ziel. Weg vom Zynismus, hin zu “einfach mal anfangen”. Ihr könnt dabei helfen und Mitglied werden. Ein erster Artikel ist bereits online.

Schickt mir gerne schöne Dinge und kommt gut in die kommende Woche 🙂

Ansichtskarten

Vertrocknete Blätter verdecken den Dreck an meinen Schuhen. Längst vergessene Erinnerungen trommeln gegen mein Herz. Mag die Melodie. Die Forderungen. Die Sonne streift meine Schultern. Stützt und reißt mich langsam empor. Vergangenes wird mich immer begleiten. Momentaufnahmen an jeder Ecke – verschwimmen mit neuen Erlebnissen. Ich schaue gerade aus – so gut das geht. Freue mich auf die Zukunft. Auf neue Gefühle, Gedanken und Geschehnisse. Man hat keine Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen. Nur zu reagieren. 

Das Leben ist wie eine Reise ohne vordefinierten Pfad. Sie verändert sich ständig und bringt dich an die entlegensten Orte deiner Gefühlswelt. Jeden Moment speicherst du in dir. Und das ist gut so. Denn eines Tages bleiben dir nur noch die Ansichtskarten, welche dir deine Seele vor Augen führt…