Andreas Spiegler

Schreiben. Stolpern. Schluckauf.

Archive (Seite 8 von 67)

Fragmente 📓 Januar 2021

Mäh. Es nervt, auch wenn es sein muss. Die Wochen ziehen an mir vorbei. Draußen ist es die meiste Zeit grau. Und ich vermisse es mit Freunden zusammen zu sein. Restaurants auszuprobieren. Andere Länder mit Svenja erkunden. Mit Kollegen in einem Raum zu arbeiten. Aber hilft ja nichts. Bis es wieder ins Büro geht, schaue ich mir einfach diese tollen Bilder an – sie wurden von POPO aus Bremen gemacht, die brand eins beim Umzug unterstützen. Jetzt ist es bald ein Jahr her, seitdem die Flure voll und Konferenzräume laut waren. 😷


Irgendwann im letzten Jahr begann ich wieder mit dem Tagebuchschreiben. Wollte rausfinden, wie sich meine Stimmung entwickelt. Was die Pandemie mit mir macht. Wie sich die Arbeit auf meinen Schlaf auswirkt. Oder welche kleinen Momente man erleben durfte. Früher waren es Notizbücher – heute ist es die App Day One. Sie erlaubt das Aufzeichnen von Textfetzen, Sprachnachrichten und Bildern. Nebenbei werden aber auch Metainformationen gespeichert – wie dasWetter oder der Ort. Dienste wie Instagram können angebunden werden. Und die App erinnert mich, was vor einigen Jahren so passiert ist. Ich mag das, weil man so ein Gefühl für Phasen bekommt. Manchmal kommt es mir vor, als sei alles doof. Seit langer Zeit. Und dann sehe ich, dass es mir vor wenigen Tagen noch gut ging. Erkenne, wie glücklich mich kleine Ausflüge in die Natur machen. Wie wichtig gutes Essen und Spazieren ist. Und dass ich weiterhin weniger in Streams rumhängen sollte. 📔


Entweder es gibt momentan nur wenig gute Serien oder die Mediatheken sind leergeschaut. Bei mir hat sich ein Gefühl von Sättigung eingestellt. Apple TV+ und Disney Plus laufen in diesen Tagen aus – werden nicht verlängert. Dafür höre ich wieder mehr Hörbücher. Seit ein paar Tagen bei BookBeat. Mag die App, die intuitiv ist und das tut, was sie soll. Die Auswahl ist gut – auch wenn mir einige Bücher fehlen, ist die Warteschlange lang. Gerade höre ich Utopien für Realisten, Die Känguru-Chroniken und Bilder deiner großen Liebe. Irgendwie erinnert mich viel an die Kindheit, wo ich Benjamin Blümchen Kassetten mit mir durch die Jahre trug. Auf dem Sofa liegen, spazieren, kochen oder putzen – alles möglich. Und dabei gute Geschichten hören. 🎧


Geschichten können nicht nur Einzelpersonen mitreißen, sie helfen auch Menschen miteinander zu verbinden. Über sie werden Erzählungen weitergetragen, Werte kommuniziert. Im letzten Jahr habe ich in Nutzergesprächen gelernt, wie sehr sich gerade alle nach Gemeinschaften sehnen. Sie möchten nicht alleine sein, wenn Ungewissheit und Unsicherheit tägliche Begleiter sind. Seitdem beschäftigt mich das Thema. Denke über mögliche Produkte nach, aber lese auch viel über die Merkmale guter Gemeinschaften. Im Rahmen einer Veranstaltung spreche ich demnächst darüber – erste Gedanken wurden bereits bei nextMedia.Hamburg aufgegriffen, noch mehr folgt an dieser Stelle in den kommenden Wochen.

Ich glaube fest daran, dass man Gedanken und Erfahrungen teilen muss. Deswegen schreib ich diesen Blog. Deswegen mag ich die Arbeit in Teams. Empathie entsteht nur durch einen Perspektivenwechsel. Deshalb bin ich auch sehr glücklich, dass ich beim nextMedia.Beirat teilnehmen darf und mit 30 Akteur:innen über ein Hamburger Innovationsökosystem nachdenken kann. 🙏


Zum Schluss noch eine Prise Selbsterkenntnis: Ja, auch ich ertappe mich manchmal dabei, wie ich romantische Szenen in Filmen sehe und denke: Hach. Blindes Verständnis. Bedingungslose Liebe. Totale Ehrlichkeit. Und im selben Moment erkenne ich, wie fern dieses Bild dann doch von der Realität ist. Wie komplex ich bin und wie selten ich verstehe, warum ich Dinge tue wie ich sie tue. Wie soll jemand anderes da durchblicken? Immer die richtige Antwort haben? Und wie kann ich erwarten, dass es so einfach ist – dieses komplexe Konstrukt Liebe? Alain de Botton beschäftigt sich deutlich wortgewandter als ich mit der Frage, weshalb Romantiker die Liebe ruinieren. Und was eine gute Beziehung ausmacht. 💛


Es ist eben alles nicht so einfach. Und das ist okay. Wir alle probieren rum. Verstehen täglich ein bisschen mehr. Machen Fehler. Tun uns weh. Entschuldigen uns. Sprechen darüber. Gehen gemeinsam weiter.

Darum geht es. Habt einen schönen Februar 🤗

Rückblick. 2020.

Ein Jahr voller Gegensätze liegt hinter mir. Vollgas. Vollbremsung. Lachen. Weinen. Tanzen. Springen. Schubsen.“ – so endete 2019. Und diesmal war wieder alles anders. Ungewohnt und schmerzhaft. Denn 2020 zeigte uns auf brutale Weise, wie zerbrechlich alles ist. Wie zerbrechlich unsere „Normalität“ ist. Ein unfassbar anstrengendes Jahr. Dominiert von einer Pandemie, die uns alle ans Limit brachte. Unsicherheiten und Ängste in allen Schichten. Habe Mitgefühl mit Hinterbliebenen, die oft ohne Abschied Abschied nehmen mussten. Tiefen Respekt vor Ärztinnen und Ärzten, den Pflegekräften und Angestellten in Altersheimen, Hilfsorganisationen, Krankenhäusern. Und nein, auf dem Balkon stehen und klatschen reicht nicht aus. Habe Mitleid mit Menschen, die unter den Einschränkungen leiden: Einsame Menschen, kranke Menschen, zurückgelassene Menschen, mittellose Menschen. Habe kein Mitleid mit Großaktionären, deren Dividenden jetzt der Staat zahlt – dafür aber Klimapolitik und Infrastruktur vernachlässigt. Habe Verständnis für Ängste und Sorgen. Habe kein Verständnis für Verschwörungstheorien, Ignoranz, Hetze und Hass. Egal, ob gegen den Staat oder einzelne Menschen. Werde mir täglich mehr bewusst, dass Rassismus ein strukturelles Problem ist. Wie mächtig und verletzend Sprache sein kann. Wie eingeschränkt der eigene Blick ist. Meist erblickt er nicht einmal das Gegenüber.

Ich habe großes Glück enorme Privilegien. Niemand aus dem Freundeskreis oder der Familie verloren. Zögerliche Umarmungen. Irgendwann nur noch ein Winken aus der Ferne. Ausgedehnte Spaziergänge und Telefonate. Nein, ein Zoom-Meeting ersetzt keine Berührung. Dennoch froh, dass es Alternativen gab. Froh über einen Job, der von überall machbar ist. Über Hobbys, die an keinen festen Ort gebunden sind. Konnte meine Gefühle offen teilen und in geschützten Räumen hinterfragen. Merke für mich, wie entscheidend Orte sind. Orte, an denen man unverstellt sein kann. Habe versucht, weniger Zeit in den Streams zu verbringen. Sie dafür mit mir selbst zu verbringen. Mit dem Fahrrad lautlos durch Hamburg. Durchatmen. Geschehen lassen.

Durchatmen. Draußen.

Es war ein Jahr der kleinen Schritte. Sprichwörtlich. War nur einmal kurz in Österreich. Ansonsten viel in den eigenen vier Wänden. Hab Hamburg erkundet. Und ein bisschen Bergluft geschnuppert. Chiemgauer Alpen. Harz. War kein einziges Mal in der Heimat. Nur einmal am Meer. Vier Bilder auf Instagram. Aber ist das schlimm? Vermisse ich etwas? Braucht es große Reisen? Hab noch keine Antwort gefunden. Nicht schlimm Es wird noch eine Weile dauern, bis ich das nächste Flugzeug betrete. Umso mehr freue ich mich auf Freunde in Berlin, Potsdam, Kiel, Stuttgart oder Wustenriet.

Wandern in den Chiemgauer Alpen

Was früher Last.fm machte, geschieht nun automatisch am Jahresende durch Spotify. Ein Rückblick auf das musikalische Jahr – wieder ohne große Überraschungen. Hip Hop und Pop haben mich begleitet. Dafür deutlich seltener, weil die Bahnfahrten weggefallen sind. Insgesamt 278 Stunden streamte ich Künstler wie Fatoni, Dexter oder Bosse. Aber auch Fynn Kliemann – mit dem ich mich mittlerweile deutlich seltener vergleiche. Mich überraschten Run The Jewels und Yassin mit seinem Unplugged-Album.

Vielleicht liegt es an diesem Jahr, dass nur wenige Serien und Filme hängen geblieben sind – obwohl man gefühlt viel Zeit mit Netflix und Co. verbrachte. Alles zog vorbei. Eine gewisse Müdigkeit setzte ein. Überzeugen konnten mich die Kurzserien Liebe und Anarchie und Das Damengambit. Aber auch die zweite Staffel von After LifeTed Lasso und The Morning Show taten auch gut. The Last Dance erinnerte mich an meine Jugend – 21 spielen und das Michael Jordan Poster an der Wand.

Was ich momentan am meisten vermisse sind Abende mit Freunden, Restaurants, Cafés und Kinos. Einmal hab ich es ins Savoy geschafft. Parasite – ein doch sehr verrückter, aber auch guter Film gesehen. Daneben nur Streams. Hamilton war toll. Und Soul zum Ende des Jahres berührend.

Ansonsten war es das Jahr der Podcasts. Erneut. Ich verbrachte Stunden im Hotel Matze, hab Deutschland3000 und die Lage der Nation verfolgt. Apokalypse & Filterkaffee und Baywatch Berlin brachten mich zum Lachen.

Rückzug

Für 2020 hatte ich mir vorgenommen ehrlicher zu sein. Zu mir und auch zu anderen. Ohne diese Ehrlichkeit hätte ich das Jahr auch nicht so gut überstanden. War verunsichert wie viele andere auch. Musste Gewohntes aufgeben, damit andere geschützt werden. Sich selbst zurücknehmen – und gleichzeitig beobachten müssen, wie sich ganz viele in den Mittelpunkt der Erde rückten. Schaue optimistisch auf das kommende Jahr. Der Impfstoff kommt. Trump geht. Spannend wird die Frage, ob die Polarisierung weitergeht. Immer extreme Meinungen. Immer weniger Verständnis.

Darüber reden ist ein Anfang. Miteinander reden sollte das Ziel sein. Versuche mich darin. Und lasse 2021 auf mich zukommen. ✌️

Fragmente 🎄 Dezember 2020

Ich mag den Dezember. Nicht nur, weil er mit meinem Geburtstag beginnt. 🥳 Er fühlt sich für mich immer nach Abschluss an. Nach Aufräumen. Die Inbox auf Null. Die letzten Termine und Besorgungen. Bewältige meine Pocket-Liste und höre mich durch Podcasts. Draußen ist es dunkel und man macht es sich daheim gemütlich. Kekse backen. Tannenbaum kaufen. Vor allem in diesem Jahr, das ich zum ersten Mal nicht in Süddeutschland verbrachte. Sondern in Hamburg. In den eigenen vier Wänden.

Geburtstags-Stimmung in den eigenen Wänden

Es war ein anstrengendes Jahr. Und ich habe sehr viel über mich gelernt. Darüber schreibe ich aber separat. Heute soll es um schöne Dinge aus diesem Monat gehen – nachdem mein letzter Beitrag recht wütend war. 🙏


Wie im Oktober bereits ausführlich geschildert, habe ich in diesem Jahr viel über das Thema Geld und Investitionen gelernt. Habe bei Tomorrow ein klimaneutrales Konto angelegt und in die Bank investiert. Im zweiten Schritt wollte ich in weitere nachhaltige Firmen investieren – was gar nicht mal so einfach ist. Es gibt keine klaren Vorgaben und die Auswahl der Finanzinstrumente blieb (für mich) recht unübersichtlich. Also informierte ich mich im ersten Schritt über Fonds und ETFs – u.a. bei Stiftung Warentest und in zahlreichen Blogs.

Der aktuelle Stand: Ich bespare nun monatlich eine Auswahl von ETFs über Trade Republic, einem deutschen Startup, das ohne Depotgebühren und dafür mit sehr guter App daherkommt. Im kommenden Jahr möchte ich mich aber weiter mit Investments beschäftigen, die ökologisch und sozial verantwortliche Unternehmen unterstützen. Und bin für jeden Ratschlag und Tipp offen! 💰


Zu Weihnachten 1998 erhielt ich meine erste Spielekonsole: eine graue Sony PlayStation mit genau einem Spiel: Final Fantasy VII. Die kommenden Tage und Wochen verbrachte ich zwei Meter entfernt von einem Röhrenfernseher – sitzend, liegend, kniend. Kein anderes Spiel hat sich so in meine Erinnerung gebrannt. Es war ein interaktiver Film, der von Großkonzernen, Freundschaft und Tod handelte. Ich musste immer wieder Entscheidungen treffen, auch wenn ich nicht jede der Folgen zu diesem Zeitpunkt begriff.

Habe das Spiel in der Zwischenzeit immer wieder angespielt – aber nie erneut abgeschlossen. Dafür andere Spiele wie Journey, Heavy Rain oder Beyond: Two Souls aufgesaugt. Nicht jeder mag dieses Genre – ist es doch oft mehr Film, als Wettbewerb oder Herausforderung. Und während jeder versucht eine neue Konsole zu ergattern, um noch schönere und größere Welten zu entdecken, so ruht bei mir immer noch eine alte PlayStation 3 unter dem Fernseher. Nur das Final Fantasy VII Remake könnte mich wieder zu einem Konsolenkauf verleiten – in ein paar Jahren vielleicht. 👾


Ich beschäftige mich viel mit Medien. Beruflich und privat. So stieß ich vor sechs Jahren auf Krautreporter, die per Crowdfunding ihre unabhängige Redaktion aufbauten. Ich wurde Unterstützer – ging dann aber wie viele anderen mit der Zeit von Bord. Heute ist die Auswahl an Publikationen und Abomodellen immer größer, weshalb ich nach einem täglichen Begleiter suchte. Die großen Marken wie ZEIT oder SZ überforderten mich. Es war einfach zu viel. Ich suchte eine tägliche Einordnung der Geschehnisse und eingestreute Artikel, die interessante Themen in der Tiefe behandeln. So fand ich wieder zu Krautreporter, die sich stark verändert hatten: eine schlankere Plattform, dafür (gefühlt) mehr Fokus auf Inhalte. Und so absolvierte ich meinen Testmonat und blieb dabei. Ich mag den Stil und wie ich als Mitglied eingebunden werde. Außerdem haben sie auch kein Problem auf externe Medien zu verweisen, was leider zu selten passiert.

So sieht mein Medienmenü 2020 wie folgt aus:


Wenn ich in diesem Jahr gerne einen Menschen hätte kennenlernen dürfen, dann wäre es Matze Hielscher gewesen. So viele Stunden verbrachte man 2020 daheim – und sein Podcast Hotel Matze füllten einige davon. Er schafft es über seine ruhige Art in kürzester Zeit einen geschützten Raum aufzumachen, in dem sich seine Gäste öffnen. Nein, es sind keine kritischen journalistischen Gespräche. Dafür aber voller Neugierde und Gefühl. Die aktuelle Folge mit Fahri Yardim ist ein sehr gutes Beispiel. Bekannt aus der Serie Jerks erwartet man einen brutalen Humor und Narzissmus. Im Gespräch verstehe ich dann plötzlich, welche Konflikte und Widersprüche hinter der Fassade schlummern. Das Laut und Leise. Toxische Anteile, die Spannungen provozieren. Es geht um das Aushalten dieser Spannungen. Und um Männlichkeit. Verunsicherungen. So wie den Unterschied zwischen Erwachsen werden und Spießigkeit.

Folge ich solchen Gesprächen, so löst das enorm viel in mir aus. Ich stelle mir ähnliche Fragen. Identifiziere mich mit Aussagen. Distanziere mich von anderen. Das macht seine Gespräche so interessant. Als würde man am Küchentisch sitzen und zwei Freunden lauschen. Die beide im gleichen Moment voneinander lernen. Neben Freundschaften oder einer Therapie sorgen solche Podcasts dafür, sich selbst besser zu verstehen.

Weitere Lieblingsgäste im Hotel Matze waren Kübra Gümüşay, Clueso, Sibylle Berg, Ferdinand von Schirach und Tupoka Ogette. ✌️


Neben der Vorfreude auf die dritte Staffel Jerks, hat mich in diesem Monat eine Serie sehr begeistert: The Boys. Eine doch sehr brutale Auseinandersetzung mit Superhelden. Diese sorgen in Amerika für Recht und Ordnung – und verstoßen sie selbst dagegen, so sagt niemand etwas. Bis auf die Boys. Sie wollen die Machenschaften aufdecken. Sich für ihre Verbrechen rächen. Ich mag die Charaktere. Und den Zwiespalt.


Der Produzent und Rapper Dexter führte die letzten Jahre ebenfalls ein Leben im Zwiespalt. Tagsüber Kinderarzt und nachts Haare nice, Socken fly. Er produziert für Künstler wie Cro, Casper und Fatoni. Greift aber selbst auch immer wieder zum Mikrofon. Sein neues Album Young Boomer behandelt seine Entwicklung: Job, Erwachsenwerden, Nachwuchs erziehen. Und dabei den Raum finden, Dinge zu tun, die man mag.

Das Album begleitet mich durch den Tag. Was ja auch kein Wunder ist. Gefühlt alles was er anfasst, wird Gold. 👑

Dexter – Gold

So. Das soll es gewesen sein. Ich beschließe den Dezember und hoffe, ihr nutzt die freien Tage. Kommt zur Ruhe. Verarbeitet die ganzen Eindrücke aus diesem verkehrten Jahr. Was es mit mir angestellt hat, werde ich demnächst versuchen zu formulieren.

Bis dahin… Bleibt gesund. Habt euch lieb. 👋

Fragmente 😷 November 2020

Erster Advent. Endspurt. Und ich kann schwer greifen, ob sich über die letzten Wochen nicht tatsächlich etwas Zuversicht in das ganze Chaos gemischt hat. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben gewählt – und sind alles andere als vereint. Zwei große Lager hacken aufeinander ein. Auf mich wirkt vieles immer extremer. Zwei Seiten, die jeweils recht haben wollen. Kaum Diskurs. Noch weniger Verständnis. Und ja, auch ich beziehe Stellung indem ich mich über den Wahlerfolg von Biden freue. Zu viel Hass, den Trump gesät hat. Falschaussagen und Desinformation. Das Leugnen von Klimakatastrophe und Corona-Pandemie. Die Zerstörung von diplomatischen Beziehungen. Ein Rechtsruck bis in den Supreme Court. Es reichte. Und auch wenn Biden nun Hoffnung macht, beschäftigen mich die knapp 74 Millionen Stimmen für Trumps Selbstsucht. Ich. Ich. Ich. 🤯


Und in Deutschland sieht es nicht anders aus. Tausende Menschen demonstrieren gegen die Corona-Maßnahmen – ohne sich an die Regeln zu halten. Keine Masken. Kein Abstand. Egal, wen sie am nächsten Tag wieder beim Einkaufen oder auf der Arbeit treffen. Ich. Ich. Ich will mir nichts sagen lassen. Querdenken. Im Bundestag oder der S-Bahn andere Menschen belästigen. Verängstigen. Auf Journalisten einprügeln. Hand in Hand mit Verschwörungstheoretikern, Reichsbürgern und Nazis. Es reicht. Nicht nur dem Verfassungsschutz und der Staatsanwaltschaft.

Genug Ansprachen im Konjunktiv. Antisemitische und rechtsextreme Fragen. Marschieren an einem 9. November – nicht gegen das System hinter der Reichspogromnacht, sondern gegen das System hinter der Maske. Holocaust-Vergleiche mit Sophie Scholl oder Anne Frank… Und um mich herum steigen die Zahlen der Infizierten und Toten. Krankenhauspersonal am Limit. Der Großteil der Bevölkerung schränkt sich ein, damit es irgendwann ein Ende hat. Aber ein paar Randgruppen denken wieder nur an sich. Und sorgen mit dafür, dass alles noch länger dauert.

Es reicht! Diskussionen über einzelne Maßnahmen: Gerne. Aber unter Beachtung der Schutzvorkehrungen. Und ohne Nazis und dem ganzen Verschwörungsquatsch. Niemand hat Spaß am Lockdown. Ich möchte auch wieder mit Freunden essen gehen. Möchte mal wieder tanzen. Aber ich darf nicht – unter anderem weil ihr euch weiter gegen die Regeln stellt, euch als Opfer seht und nach der großen Verschwörung sucht. Vielleicht seid ihr das viel größere Problem? Aber ich stelle nur Fragen… 😷


Puh. Das musste mal raus. Ja, ich merke auch, dass mir bestimmte Dinge fehlen. Menschen. Begegnungen und Umarmungen. Aber ich möchte gar nicht wissen, wie es Menschen geht, die alleine sind. Oder bald gehen müssen. Und im Fernsehen mitverfolgen, wie sich alles immer länger hinzieht. Den Fernseher ausschalten, das Licht löschen und die Decke über ihren Kopf ziehen. Irgendwo in der Ein-Zimmer-Wohnung. Weit weg von allen. Weit weg von Parolen. Und dem einfachen Satz: „Ich bin für dich da“.

Elisabeth Rank versucht ein ähnliches Gefühl zu greifen. 💔

Man steht vor dem unlösbaren Dilemma der Frage: Lässt man Nähe zu für den Moment, für Körpergefühl, Wohlbefinden, Dopamin, Oxytocin, für das Gefühl von Zugehörigkeit und das vegetative Nervensystem? Oder bleibt man in der Distanz, um das Leben zu verlängern, um jemanden nicht einem gefährlichen Virus auszusetzen und eine Kette an Dingen auszulösen, die schlimme Folgen haben für die Person und das System? Es gibt kein besser oder schlechter in diesem Fall. Die Vorstellung, dass viele Menschen seit einem halben Jahr noch mehr als sowieso schon auf sich selbst zurückgeworfen sind, dass ihnen jegliche Berührung abhanden gekommen ist, dass sie einsam leben und vielleicht sterben, bringt mein Herz zum Platzen.

All diese Gedanken haben in meinen Augen oft mit unserem Zeitgefühl zu tun. Werde ich eingeschränkt in der Gestaltung meiner Zeit? Verschwende ich meine Zeit mit Dingen, die ich gar nicht tun möchte? Die letzten Wochen rasen – so jedenfalls meine Wahrnehmung. Die Zeit „rinnt“ durch die Hände. Man verliert sie in gewisser Weise. Habe dazu einen tollen Artikel gelesen: Time anxiety: is it too late? Er beschreibt ganz gut, wie wir ständig über unsere (verbleibende) Zeit nachdenken. Und dabei oft übersehen, wieviel Zeit dieses Denken verbraucht. ⏳

First, time exists and we can’t change that. Time will move forward, and so will we. Accepting these simple yet daunting truths is the first step in reducing time anxiety.

Auch ich muss mich immer wieder dazu zwingen, nicht jede Handlung zu bewerten. Den Sinn in jeder Tat zu suchen. Alles zu „optimieren“ – woher auch immer der Maßstab kommt, denn er kommt selten aus einem selbst.

Deshalb drei Serien für kalte Tage. Mit Kakao auf dem Sofa. Handy aus.

Liebe und Anarchie – Sofie beginnt in einem Verlag und soll dort neue Geschäftsmodelle entwickeln. Das kommt mir irgendwie bekannt vor… Sie stößt an Grenzen – im Unternehmen und bei sich selbst. Lustig, mit einer Prise Liebe und Klischees. Die acht Folgen gibt es auf Netflix. 💛

Das Damengambit – Als junge Waise lernt Beth das Schachspielen kennen. Und flieht so vor ihrer Vergangenheit. Ihrer Angst vor und Sehnsucht nach Verlust. Beeindruckendes Drama. Die Miniserie auf Netflix. ♟

After Life – Die Einsamkeit nach dem Tod seiner Frau treibt Tony in die Gleichgültigkeit. Er stößt jeden von sich. Wird zynisch. Gefühlsmix zwischen Drama und Komödie. Die zweite Staffel auf Netflix. ⚱️


Es gibt diese kurzen Momente, wenn die Fassade fällt. Wenn man hinter diese Rolle schaut, die jeder spielt. Und es sind genau diese Momente, die mich glücklich machen. Vielleicht, weil ich sie selten sind. In den letzten Monaten versuche ich mich mehr zuzulassen. Gefühlte Schwächen zu zeigen. Oder auch zu akzeptieren, dass Hilflosigkeit auch nur ein Anlass sein kann, um Menschen um Hilfe zu bitten. Und diese dann zu erhalten. Das fühlt sich dann sehr gut an.

Die Kunstfigur Kurt Krömer trifft in der Sendung Chez Krömer auf unterschiedlichste Menschen. Bei Tedros Teclebrhan verlässt sie aber relativ früh den Raum und schenkte mir ein paar Minuten mit Alexander Bojcan.

https://www.youtube.com/watch?v=nL2Syj_dqZY

Vor uns liegt der Dezember. Die besinnliche Zeit. Und ich frage mich, ob sie in einem Jahr 2020 nicht laut sein muss. Laut gegen Desinformation. Laut gegen Rechts. Laut für einen inhaltlichen Diskurs und gegen Parolen.

Habt einen schönen ersten Advent und bleibt gesund ✌️

5 schöne Dinge

Über Fabian bin ich auf ein „Spiel“ gestoßen – ein „Stöckchen“ sagte man früher™ in der Blogosphäre. Fünf schöne Dinge. Weil wir uns viel zu selten bewusst werden, was gut ist. Und gut tut.

Hier folgen fünf schöne Dinge, ungeordnet:

  1. Radfahren. Als Kind bin ich jede Straße im Dorf abgefahren. Mit dem Mountainbike durch die Wälder. Heute lautlos durch die Straßen Hamburgs – mit der selben Neugierde. Beobachte Menschen. Entdecke Straßenzüge und vervollständige die Karte im Kopf. Das sind Momente, an denen ich nicht viel nachdenke. Mich nur aufs Rollen konzentriere.
  2. Natur. Alleine oder mit Lieblingsmenschen. Durch Wälder spazieren oder am Wasser entlang. Feldwege im Nirgendwo. Die Sonne im Gesicht, frische Luft, querfeldein. Mag Hawaii oder die Ostalb. Hauptsache raus.
  3. Musik. Begleitet mich in jeder Situation. Wenn ich gut gelaunt durch die Stadt spaziere oder am Schreibtisch sitze. In der Dusche. Beim Kochen. Meist deutschsprachiger Hip Hop wie Fatoni, Maeckes und Chefket. Aber auch Bosse, Von Wegen Lisbeth oder Bilderbuch. Musik gibt mir Halt und Orientierung. Schenkt mir ein Grinsen im Gesicht.
  4. Schokolade. Geht immer. Als Belohnung, zur Motivation oder als Stimmungsaufheller. M&M’s machen die Finger bunt. Ritter Sport, die man sich schön einteilen kann und doch am Stück verdrückt. Oreo – ohne Aufdrehen und Milch. Manche definieren Schokolade an Hand vom Kakaogehalt. Da bin ich eher Kind geblieben: Hauptsache süß.
  5. Rumalbern. Meist über flache Witze und Belanglosigkeiten. Aus der Situation gegriffen. Lautes Lachen bis der Schluckauf kommt.

Und du so?