Optimistisch blickte ich im letzten Jahr auf 2021. War doch die gesamte Gesellschaft durch die Pandemie zerrüttet und auf die Probe gestellt worden – es konnte nur besser werden. Ich sehnte mich wieder nach Leichtigkeit. Nach mehr Rücksicht und Miteinander.

Leider kam es anders. Die Impfung gegen Corona wurde als lieb gemeintes Angebot kommuniziert. Die benötigte Infrastruktur brauchte lange, wurde dann wieder viel zu früh abgebaut. Eine kleine Randgruppe hält das ganze Land auf. Sie spaziert durch die Städte, radikalisiert sich und teilt fleißig Missinformationen. Wir schenken ihnen immer noch unsere kostbare Zeit und Aufmerksamkeit. Und plötzlich hinkt Deutschland im EU-Vergleich hinterher. Vielleicht ging es uns einfach zu lange zu gut? Starr und veränderungsfaul. So empfinde ich die aktuelle Situation. Der Pflegenotstand trifft uns alle irgendwann. Es werden keine gerechten Gehälter bezahlt, Angestellte verlassen die Branche – zu groß ist der Druck von außen, zu gering der Dank. Das Mittelmeer ist ein Massengrab. Europa schaut zu und sichert seine Grenzen. Wir können mittlerweile hautnah beobachten, was der menschengemachte Klimawandel bewirkt. Die Politik bleibt distanziert und nebulös – bloß keine unpopulären Entscheidungen treffen. Risikovermeidung. Und somit Stillstand. Obwohl innerlich alles tobt. Wackelt. Ächzt.

😴

Es macht mich so verdammt müde. So viele Stunden diskutiert. So oft grübelnd im Bett gelegen. Unfassbar viele Informationen versucht zu verstehen und zu verarbeiten. Sätze werden verdreht. Worte gebrochen. Möchte an immer mehr Tagen verstummen. Durchatmen. Ausmisten.

Dabei helfen mir verschiedene Dinge. Nach über zehn Jahren bin ich umgezogen. Mehr Platz und näher an der Natur. Versuche Arbeitsstunden zu reduzieren. Mache eine Psychotherapie, um Muster zu verstehen. Die traditionelle chinesische Medizin (TCM) und Akupunktur wirken gegen meine Autoimmunerkrankung.

😍

Und trotzdem versinke ich dann wieder in irgendwelchen Streams. Verfolge Diskussionen. Verdopple meine Bildschirmzeit. Jahr für Jahr die selbe Schleife. Obwohl mir doch klar ist, dass Ausflüge in die Fischbeker Heide oder nach Rügen die Phasen sind, die mich wieder zum Grinsen bringen. Spaziergänge und Telefonate mit Freunden. Hand in Hand mit Svenja. Nicht der zehnte Faktencheck und die zwölfte Debatte.

🙃 – Bild: Jonas Boy

Schaue ich auf meinen Medienkonsum, so ist meine Stimmungslage noch besser nachvollziehbar. Musikalisch haben mich Maeckes, Ahzumjot, Audio88 & Yassin, Danger Dan, Dexter, Weekend und natürlich Fatoni begleitet. Sie alle schaffen es, auf kluge Art und einer Portion Wut mit den großen Themen umzugehen – trotzdem werden 452 Stunden Musik auch ihre Auswirkungen auf mich haben.

Auch meine Podcastauswahl war nicht wirklich leichte Kost: „Apokalypse & Filterkaffee“ und „Quarks Daily“ für das Tagesgeschehen, ansonsten einige Story-Formate wie „Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?“ oder „190220 – Ein Jahr nach Hanau“. Aber auch fiktive Geschichten wie „Lynn ist nicht alleine“.

Für eine gewisse Portion Zerstreuung sorgten Serien wie „The Office“ oder „Jerks“ – stumpfer Humor. Die erste Staffel von „Lupin“ gefiel mir auch gut. Genau wie „Tenet“. Ertappe mich aber immer öfter dabei, gute Formate aus den Mediatheken zu schauen: „Kranitz“, „Chez Krömer“ oder „ZDF Magazin Royal“. Aber: Es scheint sich eine gewisse Müdigkeit abzuzeichnen. Ist der Höhepunkt an Auswahl und Vielfalt erreicht?

Seit einigen Monaten liegt das Buch „Digital Minimalism“ auf meiner Kommode. Es beschäftigt sich mit der Frage, wie ein gesunder Umgang mit Medien aussehen kann. Die letzten beiden Corona-Jahre in Kombination mit meinen vollen Merklisten und einer Angst, wichtige Dinge zu verpassen, führen dazu, dass ich im kommenden Jahr aussortieren muss. Was und wer tut mir noch gut? Und wo ziehe ich meine Grenzen? Worüber möchte ich nicht mehr debattieren? Ich bin nicht dogmatisch. Denke nicht, dass etwas Fluch oder Segen ist. Gut oder schlecht. Richtig oder falsch. Aber es gibt Standpunkte und Verhaltensweisen, die zu weit gehen. Dass ich diese Meinungen beeinflussen kann, bezweifle ich mittlerweile. Also muss ich bestimmte Schlachtfelder hinter mir zurücklassen. Auch kann ich nicht jede Debatte nachvollziehen, weil mir die Informationen fehlen oder ich nicht betroffen bin. Das bedeutet aber im selben Moment auch, dass ich offen und ehrlich zugeben muss, dass es zu viel ist. Und das ist okay. 🤗