Schreiben. Stolpern. Schluckauf.

Kategorie: Jahresrückblicke (Seite 1 von 3)

Rückblick. 2023.

Das Jahr begann mit dem Gefühl endlich anzukommen. Auch wenn die Welt immer unruhiger wurde. Hab viele Themen aufgearbeitet. Mich mit meiner Vergangenheit auseinandergesetzt. Verhaltensweisen versucht zu ändern. Wollte aus der Ohnmacht ins Handeln kommen. Es hat sich mehr verändert, als ich erwartet hatte.

Bin mittlerweile an einem Punkt, an dem es mir schwer fällt dem Tagesgeschehen zu folgen. Es scheint immer komplizierter zu werden. Eine gewisse Trägheit und Müdigkeit setzt ein. Unsere Umwelt macht uns klar, dass es so nicht weitergeht. Die Klimapolitik der Bundesregierung rechtswidrig. Gleichzeitig will ein Großteil der Gesellschaft keine weiteren Einschränkungen. Will nicht belehrt werden. Lehnt sich gegen die Regierung auf. Und fordert klare Kommunikation. Das System scheint defekt. Die Unzufriedenheit groß. Kriege. Terror. Populismus, Angst und Panikmache. Je mehr man erfährt, desto schrecklicher scheint es zu werden. Ein unangenehmes Gefühl, das mit dieser Erkenntnis kommt. So klappt das nicht. Merke an mir selbst, wie ich Debatten aus dem Weg gehe. Den Medienkonsum reduziere. Mich an manchen Tagen einfach nur zurückziehen möchte. Ein anstrengendes Jahr. Im Außen und Innen.

Sitze nun in meinem Kinderzimmer und die letzten Monate ziehen an mir vorbei. Alles zieht vorbei. Die Ringe unter meinen Augen verraten mein Gedankenkarussell, das nachts besonders laut rattert. Wirft mit Fragen, die ich vielleicht zu lange ignoriert habe oder deren Antworten nun schmerzen. Ein neues Kapitel. Getrennte Wege nach fast sieben Jahren. Erinnerungen in Kartons und Pläne blass-grau. Alleinsein. Weit weg von einem geregelten Tagesablauf. Verbringe die Abende bei Freunden auf dem Sofa. Dankbar für jede Umarmung und jedes Gespräch. Streife durch Eimsbüttel. Kenne mittlerweile jeden Straßenzug und jede Fassade. Immer noch mit den Händen in den Hosentaschen. Traurig. Überfordert. Für einen kurzen Moment hoffnungsvoll. Dass wir beide irgendwann wieder grinsen.

Es ist ein Jahr voller Abschiede. So endete auch meine Therapie nach vier Jahren. Ein letztes Mal die engen Stufen nach oben. Tür zu. Seele auf. Ein Lächeln und Nicken. Hab hier so oft mit mir selbst gerungen. Hab geweint und gelacht. Bin dankbar und froh, es durchgezogen zu haben. War oft genug nur einen Impuls davon entfernt, abzubrechen. Und alles so zu lassen, wie es war. Möchte aber weiter an meiner Haltung arbeiten. Will noch mehr über Beziehungen lernen. Über mich. Dinge ausprobieren und meine Perspektive wechseln. Neugierig bleiben.

Beeindruckt in der Partnachklamm

War dieses Jahr endlich wieder wandern. Urlaub in Tirol. Die Sonne im Gesicht und Kaiserschmarrn im Bauch. Hab im Wendland auf endlose Felder geblickt, Frisbee gespielt und durchgeatmet. Im lauten Berlin hippes Essen probiert, Lieblingsmenschen getroffen und Potsdam erkundet. War das erste Mal bei einer Stand-Up Comedy Show. Hielt Neugeborene im Arm und lies mich von Hunden durchs Niendorfer Gehege ziehen. Auf dem Rad durch die nicht enden-wollenden Kleingärten. Durfte zweimal Hamilton sehen und einmal mit dem Rad über die Köhlbrandbrücke fahren. Saß auf einem Floß mitten in der Süderelbe. Das Knistern vom Grill und lachende Freunde. Stand mitten im Naturschutzgebiet Neßsand – mit Blick auf den Elbstrand. Hamburg ist so eine schöne Stadt. Fühl mich hier wohl und möchte nicht weg.

Gemeinsam auf der Elbe

Dazu beigetragen hat auch das berufliche Umfeld, welches in den letzten Monaten gewachsen ist. Mit Beginn der Selbstständigkeit bin ich so vielen spannenden Menschen begegnet. Daraus entwickelten sich Projekte und Freundschaften. Bin sehr zufrieden mit meiner Entscheidung. Lange nicht mehr so selbstbestimmt gelebt. Tolle Kunden begleitet, unterschiedliche Branchen kennengelernt und eine Ausbildung zum systemischen psychologischen Therapeuten begonnen. Dankbar für nextMedia und brand eins, wo ich mich immer mit offenen Armen empfangen werde. Dankbar auch für die vielen herzlichen Gespräche in Coworking-Spaces, auf Konferenzen und Veranstaltungen. Muss noch lernen, mit den schwankenden Einnahmen klar zu kommen und konsequent Urlaube einzuplanen. Bin neugierig, mich noch mehr mit dem Thema No-Code auseinanderzusetzen und für gewisse Zeit im Ausland arbeiten zu dürfen. Und sehr gespannt, wie sich das Neue Amt Altona entwickeln wird und wen ich auf der re:publica im kommenden Jahr wiedersehen werde.

Erschöpft auf der Alm

Seit langer Zeit empfinde ich meinen musikalischen Jahresrückblick als langweilig. Nur wenige Alben haben mich überrascht – bis auf Peter Fox, Berq und Blumengarten. Dafür viele Stunden mit meinen Lieblingskünstlern wie Fatoni, Maeckes, Deichkind und Casper verbracht. Und immer wieder das Abschiedskonzert von Kummer geschaut. Insgesamt 319 Stunden mit Grinsen im Gesicht.

Und auch bei den Podcasts gab es wenig Veränderung. Hotel Matze brachte mich in Berührung mit interessanten Menschen und ihren Gedanken. Die Doppelgänger und Lenny gaben Orientierung bei Technologie und Produktmanagement. Apokalypse & Filterkaffee erklärte mir die Nachrichtenlage. Bei Family Feelings lernte ich etwas über Beziehungen, bei Geliebte auf Zeit etwas über Sex. Fest & Flauschig, Podcast Ufo und Baywatch Berlin brachten mich zum Lachen.

Dieses Jahr war sehr emotional, auch was meinen Serienkonsum anging. Endlich This Is Us abgeschlossen und verdammt viel geweint. Und auch Heartstopper, Safe, Scenes From a Marriage und Shrinking berührten mich. Dafür konnte ich bei jerks, The White Lotus und Ted Lasso viel lachen. Und Joko hat mit seinen Formaten Wer stiehlt mir die Show und The World’s Most Dangerous Show immer wieder überrascht.

Endlich wieder mehr gelesen. Und gehört. Nur ein paar Nächte und Das Ende der Ehe haben mich sehr viel über das Idealbild einer glücklichen Beziehung nachdenken lassen. Über die Privilegien der Männer und die Beziehung zu den eigenen Eltern. Panikherz lockte mich in wilde Nächte und erklärte mir die Musikbranche. Hab in Pawlowa einen Esel begleitet und im Marschland dem Gesang der Flusskrebse gelauscht. Und zuletzt meinem inneren Kind einen Raum gegeben, während Mia Insomnia durch Vergangenheit und Gegenwart reist, um ihre Welt zu verstehen.

Picknickend in Niendorf

Auf ein Jahr zurückzublicken, das in so kurzer Zeit aus den Angeln gehoben wurde, fühlt sich seltsam an. Da ist verdammt viel Ungewissheit. An manchen Tagen habe ich Angst. An anderen Tagen fühle ich mich zuversichtlich. Hab auch diesen Rückblick mehrmals umgeschrieben. Mittendrin abgebrochen. Es tut weh, durch die ganzen Erinnerungen zu scrollen. Viele schöne Momente. Aber auch graue Momente. Nicht zu wissen, was nun kommt. Und doch ist da diese Hoffnung, dass es wieder gut wird. Fühlt sich nicht danach an. Aber alles wird gut. Alles wird gut.

Weiterlesen

Rückblick. 2022.

Das Jahr begann mit dem Vorsatz endlich auszumisten. War zu müde von den ganzen Diskussionen und brauchte Abgrenzung. Wollte Schlachtfelder hinter mir lassen und akzeptieren, dass ich nicht alles in mir aufsaugen kann. Doch leider hatte auch dieses Jahr einen anderen Plan.

Es sollte ein Jahr der Eskalationen werden. Die Natur gibt uns zu spüren, dass es so nicht weitergehen kann. Waldbrände in Europa. Schneestürme in den USA. Hungersnot in Afrika. Die Wissenschaft warnt seit Jahren, aber der Veränderungswille in allen Schichten scheint spärlich. Zu komplex die Herausforderung. Zu unübersichtlich die Abhängigkeiten von politischen Handlungsfeldern und gesellschaftlichen Faktoren. Ein Gefühl der ständigen Überforderung – verstärkt durch einen Kriegsverbrecher, der die Ukraine überfallen hat und täglich die Ängste der Menschen in Europa schürt. Tote Zivilisten und Soldaten, eine Energiekrise und erneut Flüchtende auf der Suche nach Sicherheit. Während im Iran unter Lebensgefahr für grundlegende Frauenrechte gekämpft werden muss. Es scheint, als hält die Vergangenheit an ihrem Einfluss und Status fest: „Halt stopp! Das bleibt alles so, wie es hier ist!“ Wir müssen uns aber verändern, auch wenn das ein Ende von Sicherheit und Wohlstand im Jetzt bedeutet. Denn einfach Weitermachen wie bisher ist keine Option mehr.

Das macht (auch mir) Angst. Und kostet Kraft. Weshalb es für mich in diesem Jahr um das Finden von Gleichgewicht ging. Hab mich tief in Themen eingearbeitet, um mich dann bewusst auch wieder zu lösen. Wie bei einem Sommerregen. Ein bewusstes Wechselspiel, bei dem ich immer wieder Halt in kleinen Momenten suchte. Ob morgens auf dem Tennisplatz, mittags auf dem Rad oder abends am Kanal mit Blick ins Grüne. Merke, wie mein Körper langsam wieder zu sich findet. Meine Haare kommen zurück und mein Schlaf normalisiert sich – Schritt für Schritt für Schritt. 💪

Durchatmen im Niendorfer Gehege

Ich war das vergangene Jahr viel unterwegs. Stand am Strand der Flensburger Förde, stolperte durch Südkorea und schlemmte in Wien. Konnte mit Svenja endlich wieder Kultur aufsaugen: singend bei Maeckes und Danger Dan, staunend in der Elbphilharmonie und Laeiszhalle, aber auch fasziniert im Theater bei Harry Potter und den Drei Fragezeichen. Es brauchte aber nicht immer große Bühnen und Publikum, denn mit lieben Menschen durch Kiel, Potsdam, Lübeck, Stuttgart oder Brandenburg zu spazieren reicht vollkommen aus. 🥰

Spazieren durch unser kleines Bullerbü

Diese Ausflüge schenken Kraft. Und geben mir Halt in einer Zeit, wo sich so viel neu ordnet. Hab als Mentor und Coach spannende Projekte der Hamburg Media School und Kreativgesellschaft begleitet. Gleichzeitig habe ich nach über vier Jahren brand eins die Entscheidung getroffen, mich selbstständig zu machen. Etwas Neues auszuprobieren – mit einem stolzen Gefühl beim Blick auf das Erreichte und einigen Tränen beim Abschied von einem tollen Team. Ich entdeckte meine Begeisterung für AI und verlor das letzte Interesse an Kryptowährungen. Hab mir zwei Monate Zeit gegeben, in den Tag zu leben, ein Buch zu veröffentlichen und den besten Kuchen Hamburgs zu suchen. Offizielles Ergebnis: Apfelkuchen bei geen, Cheesecake bei Kropka und Salzkaramelltorte bei Liebes Bisschen. 🍰

Kuchen, Cappuccino und Magazine

So sehr ich Zeit mit Menschen genieße, so wichtig sind mir Momente, in denen ich alleine bin. Meist mit Kopfhörern auf den Ohren. Dieses Jahr begleitete mich viel alte Musik – ganz vorne Maeckes und Casper, in deren Texte ich mich nur zu gerne verliere. Aber auch Neuentdeckungen wie OG Keemo, Alli Neumann oder Schmyt gingen mit mir spazieren. Insgesamt 431 Stunden mit Grinsen im Gesicht.

Noch nie war meine Podcast-App so voll wie in diesem Jahr, trotzdem hörte ich aber oft die gleichen Formate: Fest & Flauschig und Baywatch Berlin zur Unterhaltung. Bei Hotel Matze lerne ich noch immer spannende Menschen kennen und mit Cui Bono: Wer hat Angst vom Drachenlord? schaffte es die zweite Staffel erneut in meinen Jahresrückblick. Besonders stolz bin ich auf den brand eins Podcast Planetary, den wir gemeinsam mit Planet A und der BMW Foundation ins Leben riefen.

Dass serielle Erzählungen an Beliebtheit gewinnen, zeigt sich auch bei mir: Serien wie Severance, Dopesick, I May Destroy You und Watchmen haben mich gefesselt. Heartstopper ist wunderschön erzählt, die zweite Staffel Kranitz erneut lustig und Chez Krömer endet mit einem großen Finale. Einzig ein Film bleibt in Erinnerung: Everything Everywhere All at Once war eine Achterbahn, ganz ohne Übelkeit.

Es gab eine Zeit, in der ich sehr viel gelesen habe. Ich vermisse diese Abende auf dem Sofa und so meldete ich mich während meiner Auszeit in den Bücherhallen Hamburg an. Der große Sommer und Marianengraben waren wunderschöne Geschichten. Unsere Welt neu denken schenkte mir Zuversicht und Antrieb, dass wir die Klimakrise angehen müssen. Zuletzt berührte mich Sprache und Sein mit einem Perspektivenwechsel. 🙏

Wir beide und das Meer

Es fühlt sich so an, als käme ich langsam innerlich zur Ruhe. Obwohl es im Außen immer lauter wird. Damit einher geht eine Spannung zwischen persönlichem Glück und gesellschaftlichen Krisen. Dem Gefühl, mehr Zeit für das Richtige investieren zu wollen und aktiver zu werden. Möchte im neuen Jahr genau das ausprobieren – sowohl im Privaten als auch in der Selbstständigkeit. Teil einer Lösung und nicht Teil einer Ohnmacht sein.

Weiterlesen

Rückblick. 2021.

Optimistisch blickte ich im letzten Jahr auf 2021. War doch die gesamte Gesellschaft durch die Pandemie zerrüttet und auf die Probe gestellt worden – es konnte nur besser werden. Ich sehnte mich wieder nach Leichtigkeit. Nach mehr Rücksicht und Miteinander.

Leider kam es anders. Die Impfung gegen Corona wurde als lieb gemeintes Angebot kommuniziert. Die benötigte Infrastruktur brauchte lange, wurde dann wieder viel zu früh abgebaut. Eine kleine Randgruppe hält das ganze Land auf. Sie spaziert durch die Städte, radikalisiert sich und teilt fleißig Missinformationen. Wir schenken ihnen immer noch unsere kostbare Zeit und Aufmerksamkeit. Und plötzlich hinkt Deutschland im EU-Vergleich hinterher. Vielleicht ging es uns einfach zu lange zu gut? Starr und veränderungsfaul. So empfinde ich die aktuelle Situation. Der Pflegenotstand trifft uns alle irgendwann. Es werden keine gerechten Gehälter bezahlt, Angestellte verlassen die Branche – zu groß ist der Druck von außen, zu gering der Dank. Das Mittelmeer ist ein Massengrab. Europa schaut zu und sichert seine Grenzen. Wir können mittlerweile hautnah beobachten, was der menschengemachte Klimawandel bewirkt. Die Politik bleibt distanziert und nebulös – bloß keine unpopulären Entscheidungen treffen. Risikovermeidung. Und somit Stillstand. Obwohl innerlich alles tobt. Wackelt. Ächzt.

😴

Es macht mich so verdammt müde. So viele Stunden diskutiert. So oft grübelnd im Bett gelegen. Unfassbar viele Informationen versucht zu verstehen und zu verarbeiten. Sätze werden verdreht. Worte gebrochen. Möchte an immer mehr Tagen verstummen. Durchatmen. Ausmisten.

Dabei helfen mir verschiedene Dinge. Nach über zehn Jahren bin ich umgezogen. Mehr Platz und näher an der Natur. Versuche Arbeitsstunden zu reduzieren. Mache eine Psychotherapie, um Muster zu verstehen. Die traditionelle chinesische Medizin (TCM) und Akupunktur wirken gegen meine Autoimmunerkrankung.

😍

Und trotzdem versinke ich dann wieder in irgendwelchen Streams. Verfolge Diskussionen. Verdopple meine Bildschirmzeit. Jahr für Jahr die selbe Schleife. Obwohl mir doch klar ist, dass Ausflüge in die Fischbeker Heide oder nach Rügen die Phasen sind, die mich wieder zum Grinsen bringen. Spaziergänge und Telefonate mit Freunden. Hand in Hand mit Svenja. Nicht der zehnte Faktencheck und die zwölfte Debatte.

🙃 – Bild: Jonas Boy

Schaue ich auf meinen Medienkonsum, so ist meine Stimmungslage noch besser nachvollziehbar. Musikalisch haben mich Maeckes, Ahzumjot, Audio88 & Yassin, Danger Dan, Dexter, Weekend und natürlich Fatoni begleitet. Sie alle schaffen es, auf kluge Art und einer Portion Wut mit den großen Themen umzugehen – trotzdem werden 452 Stunden Musik auch ihre Auswirkungen auf mich haben.

Auch meine Podcastauswahl war nicht wirklich leichte Kost: „Apokalypse & Filterkaffee“ und „Quarks Daily“ für das Tagesgeschehen, ansonsten einige Story-Formate wie „Cui Bono: WTF happened to Ken Jebsen?“ oder „190220 – Ein Jahr nach Hanau“. Aber auch fiktive Geschichten wie „Lynn ist nicht alleine“.

Für eine gewisse Portion Zerstreuung sorgten Serien wie „The Office“ oder „Jerks“ – stumpfer Humor. Die erste Staffel von „Lupin“ gefiel mir auch gut. Genau wie „Tenet“. Ertappe mich aber immer öfter dabei, gute Formate aus den Mediatheken zu schauen: „Kranitz“, „Chez Krömer“ oder „ZDF Magazin Royal“. Aber: Es scheint sich eine gewisse Müdigkeit abzuzeichnen. Ist der Höhepunkt an Auswahl und Vielfalt erreicht?

Seit einigen Monaten liegt das Buch „Digital Minimalism“ auf meiner Kommode. Es beschäftigt sich mit der Frage, wie ein gesunder Umgang mit Medien aussehen kann. Die letzten beiden Corona-Jahre in Kombination mit meinen vollen Merklisten und einer Angst, wichtige Dinge zu verpassen, führen dazu, dass ich im kommenden Jahr aussortieren muss. Was und wer tut mir noch gut? Und wo ziehe ich meine Grenzen? Worüber möchte ich nicht mehr debattieren? Ich bin nicht dogmatisch. Denke nicht, dass etwas Fluch oder Segen ist. Gut oder schlecht. Richtig oder falsch. Aber es gibt Standpunkte und Verhaltensweisen, die zu weit gehen. Dass ich diese Meinungen beeinflussen kann, bezweifle ich mittlerweile. Also muss ich bestimmte Schlachtfelder hinter mir zurücklassen. Auch kann ich nicht jede Debatte nachvollziehen, weil mir die Informationen fehlen oder ich nicht betroffen bin. Das bedeutet aber im selben Moment auch, dass ich offen und ehrlich zugeben muss, dass es zu viel ist. Und das ist okay. 🤗

Rückblick. 2020.

Ein Jahr voller Gegensätze liegt hinter mir. Vollgas. Vollbremsung. Lachen. Weinen. Tanzen. Springen. Schubsen.“ – so endete 2019. Und diesmal war wieder alles anders. Ungewohnt und schmerzhaft. Denn 2020 zeigte uns auf brutale Weise, wie zerbrechlich alles ist. Wie zerbrechlich unsere „Normalität“ ist. Ein unfassbar anstrengendes Jahr. Dominiert von einer Pandemie, die uns alle ans Limit brachte. Unsicherheiten und Ängste in allen Schichten. Habe Mitgefühl mit Hinterbliebenen, die oft ohne Abschied Abschied nehmen mussten. Tiefen Respekt vor Ärztinnen und Ärzten, den Pflegekräften und Angestellten in Altersheimen, Hilfsorganisationen, Krankenhäusern. Und nein, auf dem Balkon stehen und klatschen reicht nicht aus. Habe Mitleid mit Menschen, die unter den Einschränkungen leiden: Einsame Menschen, kranke Menschen, zurückgelassene Menschen, mittellose Menschen. Habe kein Mitleid mit Großaktionären, deren Dividenden jetzt der Staat zahlt – dafür aber Klimapolitik und Infrastruktur vernachlässigt. Habe Verständnis für Ängste und Sorgen. Habe kein Verständnis für Verschwörungstheorien, Ignoranz, Hetze und Hass. Egal, ob gegen den Staat oder einzelne Menschen. Werde mir täglich mehr bewusst, dass Rassismus ein strukturelles Problem ist. Wie mächtig und verletzend Sprache sein kann. Wie eingeschränkt der eigene Blick ist. Meist erblickt er nicht einmal das Gegenüber.

Ich habe großes Glück enorme Privilegien. Niemand aus dem Freundeskreis oder der Familie verloren. Zögerliche Umarmungen. Irgendwann nur noch ein Winken aus der Ferne. Ausgedehnte Spaziergänge und Telefonate. Nein, ein Zoom-Meeting ersetzt keine Berührung. Dennoch froh, dass es Alternativen gab. Froh über einen Job, der von überall machbar ist. Über Hobbys, die an keinen festen Ort gebunden sind. Konnte meine Gefühle offen teilen und in geschützten Räumen hinterfragen. Merke für mich, wie entscheidend Orte sind. Orte, an denen man unverstellt sein kann. Habe versucht, weniger Zeit in den Streams zu verbringen. Sie dafür mit mir selbst zu verbringen. Mit dem Fahrrad lautlos durch Hamburg. Durchatmen. Geschehen lassen.

Durchatmen. Draußen.

Es war ein Jahr der kleinen Schritte. Sprichwörtlich. War nur einmal kurz in Österreich. Ansonsten viel in den eigenen vier Wänden. Hab Hamburg erkundet. Und ein bisschen Bergluft geschnuppert. Chiemgauer Alpen. Harz. War kein einziges Mal in der Heimat. Nur einmal am Meer. Vier Bilder auf Instagram. Aber ist das schlimm? Vermisse ich etwas? Braucht es große Reisen? Hab noch keine Antwort gefunden. Nicht schlimm Es wird noch eine Weile dauern, bis ich das nächste Flugzeug betrete. Umso mehr freue ich mich auf Freunde in Berlin, Potsdam, Kiel, Stuttgart oder Wustenriet.

Wandern in den Chiemgauer Alpen

Was früher Last.fm machte, geschieht nun automatisch am Jahresende durch Spotify. Ein Rückblick auf das musikalische Jahr – wieder ohne große Überraschungen. Hip Hop und Pop haben mich begleitet. Dafür deutlich seltener, weil die Bahnfahrten weggefallen sind. Insgesamt 278 Stunden streamte ich Künstler wie Fatoni, Dexter oder Bosse. Aber auch Fynn Kliemann – mit dem ich mich mittlerweile deutlich seltener vergleiche. Mich überraschten Run The Jewels und Yassin mit seinem Unplugged-Album.

Vielleicht liegt es an diesem Jahr, dass nur wenige Serien und Filme hängen geblieben sind – obwohl man gefühlt viel Zeit mit Netflix und Co. verbrachte. Alles zog vorbei. Eine gewisse Müdigkeit setzte ein. Überzeugen konnten mich die Kurzserien Liebe und Anarchie und Das Damengambit. Aber auch die zweite Staffel von After LifeTed Lasso und The Morning Show taten auch gut. The Last Dance erinnerte mich an meine Jugend – 21 spielen und das Michael Jordan Poster an der Wand.

Was ich momentan am meisten vermisse sind Abende mit Freunden, Restaurants, Cafés und Kinos. Einmal hab ich es ins Savoy geschafft. Parasite – ein doch sehr verrückter, aber auch guter Film gesehen. Daneben nur Streams. Hamilton war toll. Und Soul zum Ende des Jahres berührend.

Ansonsten war es das Jahr der Podcasts. Erneut. Ich verbrachte Stunden im Hotel Matze, hab Deutschland3000 und die Lage der Nation verfolgt. Apokalypse & Filterkaffee und Baywatch Berlin brachten mich zum Lachen.

Rückzug

Für 2020 hatte ich mir vorgenommen ehrlicher zu sein. Zu mir und auch zu anderen. Ohne diese Ehrlichkeit hätte ich das Jahr auch nicht so gut überstanden. War verunsichert wie viele andere auch. Musste Gewohntes aufgeben, damit andere geschützt werden. Sich selbst zurücknehmen – und gleichzeitig beobachten müssen, wie sich ganz viele in den Mittelpunkt der Erde rückten. Schaue optimistisch auf das kommende Jahr. Der Impfstoff kommt. Trump geht. Spannend wird die Frage, ob die Polarisierung weitergeht. Immer extreme Meinungen. Immer weniger Verständnis.

Darüber reden ist ein Anfang. Miteinander reden sollte das Ziel sein. Versuche mich darin. Und lasse 2021 auf mich zukommen. ✌️

Rückblick. 2019.

Versuche wieder meine Geschwindigkeit zu finden.“ – mit diesen Worten stolperte ich in das Jahr 2019. Ein Podcast-Experiment und drei Dinge. Zahlreiche Experimente auf der Arbeit. Vom Pressehaus in eine Marzipanfabrik umgezogen. Strukturen geschaffen. Rollen definiert. Wände eingerissen. Und irgendwann eingestehen müssen, dass ich dieses Tempo nicht halten kann. Meine Geschwindigkeit unterschätzt. Notbremse. Zwei Wochen Auszeit. Die eine Hälfte im Bett, die andere im Wald. Durchatmen. Bewusst wahrnehmen, was ich brauche. Grenzen eingestehen. Habe die Messlatte zu hoch gehängt. Zu wenig auf meinen Körper gehört. Und Menschen verletzt, die mich eigentich beschützen wollten. Konnte mich teilweise selbst nicht wieder erkennen.

Merke immer mehr, wie wichtig Einsamkeit und Zweisamkeit für mich sind. Stand mit dir in der Sagrada Familia. Blick nach oben. Bunte Farben flackern auf unseren Wangen. Auf Usedom lassen wir uns die Haare zerzausen. Verbringen die Nacht auf einem Boot. Den Tag am Meer. Kuchen gibt es in kleinen Gärten. Auf wackligen Stühlen. Es braucht nicht viel, haben wir gemerkt. Und trotzdem in Istanbul alles aufgesaugt. Çay und Simit. Mein Arm um deine Hüfte. Das blaue Kleid und dein Grinsen. Durch die Wälder von Hawaii gerutscht. Auf Berge geklettert. In Wellen gesprungen. Das erste Mal schnorcheln. Das letzte Mal Z2X. Brauche diese Auszeiten. Egal wie weit entfernt – solange ich entscheiden kann, wohin der nächste Schritt mich trägt.

Oft haben mich Podcasts bei meinen Schritten im letzten Jahr begleitet. Verfolge beigeistert StartUps, lache im Podcast Ufo und lausche an der Bar vom Hotel Matze. Kann nur schwer beschreiben, was mir an diesem Medium so gefällt. Es erinnert mich an meine Jugend, in der ständig bigFM und DASDING liefen. Ich baue eine Bindung zu den Stimmen auf. Freue mich auf neue Folgen, wie auf Gespräche mit Freunden. Und ich glaube, dass Audio noch so viel mehr kann, wenn es um Geschichten geht.

Weitere 377 Stunden des letzten Jahres gehörten der Musik. Über mein Grinsen im Gesicht habe ich bereits geschrieben – auch wenn ich deutlich mehr ernste Musik hörte. Kummer hat deutschen Rap endlich wieder traurig gemacht. Auch meine Liebe zu Fatoni ist kein Geheimnis mehr: Er schafft es ohne elitären Zeigefinger oder schmierige Phrasen auf den ganzen Dreck da draußen zu reagieren. Genau wie Trettmann, Yassin oder Dendemann. Momentan verstricke ich mich vielleicht zu oft in wirren Gedanken. Und die Musik hilft mir dann diese difsusen Gefühle zu ordnen. Ihnen kleine Kategorien einzuheften. Mich ein bisschen besser verstanden zu fühlen.

Dieses Muster erkenne ich auch bei Serien und Filme wieder. After Life ist eine traurige Komödie, die Verlust und Hass so wunderbar vereint. Die zweite Staffel Dark hat mich in ihren Bann gezogen – auch wenn ich mittlerweile einen Spickzettel brauche, um die Stränge überblicken zu können. Im Zug nach Süddeutschland habe ich The End of the F***ing World und Fleabag begonnen. Beide ebenfalls voller Sarkasmus, um das normale Leben zu verarbeiten. Für die gute Stimmung: Silicon Valley, Brooklyn Nine-Nine und Modern Familiy.

Ein Jahr voller Gegensätze liegt hinter mir. Vollgas. Vollbremsung. Lachen. Weinen. Tanzen. Springen. Schubsen. Musste auf die harte Weise lernen, wieviel Kraft es braucht, nichts zu bewegen. Wahrzunehmen. Zu reflektieren. Das hört sich alles so erwachsen an. Komme mir aber mehr vor wie ein Kind, das lernen muss. Spricht man über solche Phasen? Teilt man seine Schwächen? Welchen Filter braucht man für den Alltag und in welche Kategorie des Lebenslaufs kommt das Gefühl Müdigkeit? Was antworte ich auf die großen Fragen? Mache mir Gedanken über meinen Job und Lieblingsserien, während anderswo die Lebensgrundlage ausgelöscht wird. Hänge in stylischen Cafés und anderswo produzieren Kinder gläntzende Gegenstände. Beschwere mich über hohe Mieten und S-Bahn-Ausfälle, nebenan nehmen Stürme und Fluten einfach alles weg. Was kann ich machen? Wie kann ich andere mitnehmen? Braucht es Trotz oder Verständnis?

Und auch mit dem ganzen Lärm in mir drin, bin ich dankbar für jeden Schritt. Gemeinsam oder allein. Für jedes liebe Wort. Für jede neue Bekanntschaft und jede bekannte Umarmung. Ich möchte im kommenden Jahr noch ehrlicher sein. Zu mir. Und zu Menschen, die mir wichtig sind. 🤗