Schreiben. Stolpern. Schluckauf.

Fragmente 🍂 Oktober 2020

Der Akku leer, der Kopf voll. Dieses Gefühl dominiert die letzten Monate. Und daran sind gewiss nicht nur Medien und Streams schuld. Es passiert momentan so viel. In uns. In mir. Die Gesellschaft wird ein zweites Mal heruntergefahren, aber ich persönlich renne auf Anschlag.

Und so geht es vielen Freunden und Bekannten. Dieses Jahr wird dominiert durch Ungewissheit. Eilmeldungen und Zahlen überall. Corona hat Auswirkungen auf mein Leben, aber bei weitem nicht elementar. Ich bin gesund, habe meinen Job und Menschen um mich herum. Trotzdem bringt mich diese Zeit zum Nachdenken: Was ist mir wichtig? Was brauche ich? Wo sind meine Grenzen? Worauf kann ich verzichten?

Diese Fragen – sowie selbstgewählte oder diktierte Projekte, die mich davon ablenken sollen – halten die Maschine am Laufen. Hab teilweise viel zu kurze Nächte, wache um 5 Uhr auf und muss im Dunkeln feststellen, dass ich meinen halben Bart verloren habe. Warnhinweise, die ich nicht verschweigen möchte. Glaube, wir sollten viel ehrlicher über diese ganzen Bruchstellen und Schwächen sprechen. Deshalb teile ich nun monatlich Fragmente aus meinen Tagen. Stimmungsbilder und Einblicke. Aber auch Empfehlungen und Entdeckungen. Wie man das früher™ so in einem Blog machte. 🙃


Spreche ich mit Freunden, so suchen viele gerade „ihren Platz“ in dieser verrückten Zeit und dem Danach. Alles scheint sich neu zu ordnen. Arbeiten im Schlafzimmer. Führung aus der Ferne. Freundschaften übers Telefon. Auch meine Arbeit hat sich verändert, denn Produktmanagement in der Krise bedeutet noch mehr Zuversicht bei noch weniger Struktur. Investieren statt sparen. Spreche mit Menschen, deren erarbeitete Position und Sicherheit plötzlich wackelt. Sie suchen nach Gleichgesinnten – wollen nicht alleine durch diese Zeit. Auf öffentlichen Plattformen zeigt jeder, dass es weitergeht. Feiert kleine Erfolge. Aber oft fehlen geschützte Räume, wo Austausch entsteht – über Probleme und Scheitern gesprochen wird. Verständnis aufbringen. Hören und Dazugehören.

Das treibt mich gerade um. Und ich freue mich über Austausch. 🤗


Um meine ganzen Gedanken zu ordnen, habe ich mir ein neues Notizbuch besorgt. Nichts Digitales. Nur Stift und Block, um zu jeder Uhrzeit meine losen Gedanken festzuhalten. Das tut verdammt gut. Wenn es auch nur Worte ohne Zusammenhang sind. Sie spiegeln meinen aktuellen Zustand und helfen, den ein oder anderen Strang zu ordnen. Wache ich nachts auf, schreibe ich alle Gedankenfetzen auf. Lese ich ein Buch, notiere ich ausgewählte Sätze. Beobachte ich etwas Spannendes, landen Skizzen davon auf einer leeren Seite. ✍️


Früher habe ich regelmäßiger Notizbücher mit Beobachtungen gefüllt. Habe aus diesen Satzstücken ganze Geschichten gebaut. Ich nannte sie Einweggedanken. Und einzelne Texte haben es nun sogar in ein Buch geschafft 🙈 Lese ich heute durch die Texte, so erinnern sie mich an ein sehr emotionales Kapitel. Eine Trennung, ein Umzug, ein Neubeginn. Schreiben. Stolpern. Schluckauf. In einer Großstadt und auch im Kopf. 💙

Mein Text in der Anthologie Projekt txt von Katharina Pelham

Neben dem Schreiben hilft mir Natur, um den Kopf frei zu bekommen. Wald. Bunte Blätter, die leise rascheln. Sonne im Gesicht. Hand in Hand. Deshalb ging es für ein paar Tage in den Harz – da fahren die Norddeutschen hin, wenn sie in die Berge gehen. Bin Dampflok gefahren, hab viel geschlafen und mir die Schuhe dreckig gemacht. So muss das. 🍂

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Raus.

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Außerdem habe ich endlich wieder einen Roman gelesen. Sophia, der Tod und ich. Der Musiker Thees Uhlmann nahm mich mit auf einen Roadtrip, dessen Ende auf den ersten Seiten verraten wird: Tod. Teilweise sehr lustig, dann wieder ehrlich-schön. Dieses Gefühl hab ich vermisst. Möchte wieder mehr lesen. Abschweifen. Wer wissen möchte, welche Bücher ich gerade lese, findet Antworten auf meinem Readng-Profil. 📚


Seit Juli fahre ich mit einem E-Bike durch Hamburg und füttere unregelmäßig mit zwei Freunden einen Blog: lautlos.hamburg. Und wie jedes Projekt, hat auch dieses seine Höhen und Tiefen. Anfängliche Euphorie, viel Zuspruch und die ersten Empfehlungen. Danach eine gewisse Müdigkeit aka „Alltag“ – es braucht immer wieder Impulse. Und wenn es die Angst ist, dass man nicht mehr fahren darf. Denn kurz war mein VanMoof S3 auf dem Schirm der Polizei: Es fuhr zu schnell, wenn man in den Optionen spielte. Mittlerweile wurde aber alles technisch gelöst und das Rad aus der Ferne aktualisiert. Verrückte Technik. 🚴‍♂️


Ja, alles wird immer komplexer. Und deshalb konzentrieren sich Designer täglich darauf, Komplexität hinter leicht verständlichen und schönen Oberflächen zu verstecken. Was wäre aber, wenn wir den anderen Weg einschlagen und Menschen mehr ermächtigen? Ihnen erklären, was Technologie tut und wie sie funktioniert. Sie ist schließlich nicht nur Werkzeug, sondern vielmehr Zugang. Make me think! fordert genau diese Veränderung in der Produktentwicklung. 🙌


Zum Schluss etwas unbezahlte Werbung aus voller Überzeugung: Heute ist Weltspartag. Als Kind bin ich mit Spardose und großer Vorfreude zu meiner Bank geradelt. Es gab Süßigkeiten und Plastik aus China. Irgendwann wechselte man zu einer Onlinebank. Da gab es dann eine kostenlose Kreditkarte für Onlineshopping und eine schicke App. Aber was macht eine Bank überhaupt mit meinem Geld? Diese Frage stellte ich mir erst, als ich auf Tomorrow stieß – also dieses Jahr. Die Antwort: Große Banken finanzieren zum Beispiel die Rüstungsindustrie. Tomorrow ändert dies und nutzt Kundeneinlagen für nachhaltige Projekte. Außerdem werden Transaktionsgebühren, die beim Zahlen mit der Karte fließen, in Regenwald-Projekte gesteckt. Das Konto ist (mit kleinen Einschränkungen) kostenlos und die App super. Was spricht also dagegen?! 🌲


Ich wünsche euch einen schönen Start in den November. Hoffe, ihr bleibt gesund. Und freue mich über jedes Signal aus der Isolation 👋 #staythefuckhome