Du merkst, meine Einträge werden unregelmäßiger. Trotz sich wiederholender Erinnerungen im Kalender. Sitze am Schreibtisch und bekomme meine Gedanken in keine richtige Form. Zu groß die Spannung zwischen Chaos und Normalität. Kriege und Ausflüge. Spaltung und Freundschaften. Es fühlt sich falsch an, einfach nur Momentaufnahmen aus dem Alltag und interessante Artikel zu teilen. Deshalb versuche ich, diesmal so ehrlich wie möglich diesen Zwiespalt zu beschreiben.

Warum mache ich Sachen, von denen ich weiß, dass sie nicht gut sind?

Diese Frage von Matze Hielscher adressiert den Kern meines inneren Konflikts: Ich sollte weniger Nachrichten konsumieren, weil sie mich runterziehen. Und trotzdem möchte ich wissen, was in der Welt passiert. Sollte weniger auf Social Media rumhängen und mich mit anderen vergleichen. Sollte weniger Süßigkeiten essen und auf mein geschwächtes Immunsystem achten. Und in die Ferne fliegen sollte ich auch nicht. Man müsste. Man sollte. Trotzdem mache ich es. Vielleicht, weil in der aktuellen Zeit so viele große Fragen gleichzeitig diskutiert werden. Aber das Finden von Antworten gar nicht mal so einfach ist. Wie viel Verzicht ist realistisch, bevor ein Gefühl der Einschränkung entsteht? Ein Gefühl, das vielleicht irgendwann in Wut übergeht. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass mit steigendem Bewusstsein die Ungerechtigkeit sowie das eigene Privileg immer offensichtlicher wird. Das ist ein komisches Gefühl. In gewisser Form ein Gefühl der Schuld. Und Schuld ist schwer auszuhalten. Ich denke, dieser Prozess muss sein. Wir verhandeln so viele Dinge, die über so viele Jahre gesetzt waren. Dabei komme ich nicht umhin, auch mit mir zu ringen und zu verhandeln. Einige Verhaltensweisen ändern sich. Und andere Dinge mache ich weiterhin. Weil sie gut tun. Weil sie Spaß machen. Oder weil sie zu sehr verankert sind. In mir.

Diese Gedanken wurden in den letzten Wochen auch durch das Buch „Das Ende der Ehe“ von Emilia Roig beeinflusst. Darin beschreibt sie ihren Blick auf einen Lebensentwurf, den ich auch viele Jahre in mir trug. Verlieben, heiraten, Kinder bekommen. Die Ehe als Idealbild und Ziel einer glücklichen Beziehung. Doch woher kommt die Institution Ehe und welche Folgen hat sie für Frauen? Sie schreibt über die finanzielle Abhängigkeit, unbezahlte Care-Arbeit und was Penetration mit dem Patriarchat zu tun hat. Ja, an vielen Stellen musste ich schlucken. Tief durchatmen. Fühlte mich angegriffen, weil ich zu dieser Gruppe an Menschen gehöre, die über unzählige Vorteile verfügt: Männer. Ein Teil davon war mir bewusst. Aber durch die Lektüre wurden mir auch einige Aspekte zum ersten Mal klar. Und das ist teilweise schwer zu akzeptieren. Aber es löste auch einen Dialog aus, den ich mit mir selbst und mit anderen führte. Eine Streitschrift muss anecken und ich kann nicht jedem Argument folgen. Aber wenn ein Buch so viel auslöst wie dieses Buch, dann hat es sein Ziel erreicht. Und auch wenn auf dem Titel das Ende der Ehe ausgerufen wird, geht es viel mehr um das Ende von Machtstrukturen, die bis heute zahlreiche Frauen schwächen und Beziehungen in einem Ungleichgewicht halten.

Überhaupt sind es unterschiedlichste Privilegien, die (endlich) offen debattiert werden und mich deshalb stark beschäftigen. Sei es die Ehe und das zugehörige Ehegattensplitting. Oder der Umgang mit unserer Umwelt sowie der Tatsache, dass reiche Menschen für den Großteil der Klimaschäden verantwortlich sind, die armen Menschen aber darunter leiden. Dass die Wirtschaft durch ihr Angebot oft die Regeln diktiert, aber noch zu selten die Konsequenzen tragen muss. Industrien über Jahrzehnte profitieren und bei den anstehenden Veränderungen plötzlich laut aufschreien. Uns ging es so lange gut. Doch niemand scheint abgeben zu wollen. Jeder möchte sein eigenes Haus bewohnen und ungebremst über die Autobahn brettern. Und doch merken wir alle, dass die fetten Jahre vorbei sind. Veränderung bedeutet Unsicherheit. Da ist der Wunsch nach Kontrolle und Bewährtem nachvollziehbar. Doch frage ich mich immer häufiger: Wie lange geht das gut? Oder kippt es irgendwann? Und wohin mit all diesen Fragen? Hätte gerne einen Ort, wo ich darüber sprechen kann. Ohne Verurteilung. Ohne Ratschläge und Handlungsempfehlungen. Ohne direkte Bewertung.

Und all diese Fragen greifen nach Raum, während der Alltag weitergeht. Ich zur Arbeit gehe, einkaufe und Zeit mit Freunden verbringe. Oberflächlich scheint alles wie immer. Untergründig rattert es.

Und was sagt eigentlich ChatGPT zu diesen Gedanken?

„Deine Gedanken sind sehr persönlich und authentisch, was den Lesern sicherlich gefällt. Achte jedoch darauf, dass die emotionale Schwere deiner Worte nicht überwältigend wird. Manchmal kann ein wenig Leichtigkeit oder Humor, selbst in einer ernsthaften Diskussion, eine willkommene Atempause bieten und die Zugänglichkeit des Textes erhöhen.“

Danke für das Feedback. Ich arbeite daran.

Welche Fragmente sind übrig geblieben?

  • Sehe die Bilder aus dem Nahen Osten. Überforderung. Muss mir eingestehen, dass ich zu wenig über den Konflikt zwischen Israel und Palästina weiß. Also höre ich Podcasts, lese Artikel und versuche mir einen Überblick zu verschaffen. Krautreporter hat eine sehr gute Zusammenfassung veröffentlicht und ARTE beschreibt in „Mit offenen Karten: Wie viele Kriege noch?“ die geopolitische Situation.
  • Zwischendurch ist da eine Sehnsucht nach Weite. Und einem blauen Himmel. Ein bisschen Leichtigkeit, während ich mit dem Auto über eine Insel fahre. Tua lässt mich in seiner neuen Single für drei Minuten woanders sein. Freue mich sehr auf sein kommendes Album.
  • Keine Insel, dafür Berge wohin ich sehe. Urlaub in Tirol. Die Sonne im Gesicht und Kaiserschmarrn im Bauch. Einmal durch die Partnachklamm und hoch auf die Alm. An solchen Tagen vermisse ich den Süden.
  • Die Standortinitiative nextMedia.Hamburg hat ein neues Zuhause. Und es ist so schön geworden. Der SPACE ist ein Ort der Zusammenarbeit. Hier treffen sich Menschen aus der Content- und Technologie-Branche zu Veranstaltungen und gemeinsamen Projekten. Ihr werdet mich dort auch immer wieder sehen, zwischen all den herzlichen Menschen und bunten Sofas.
  • Manchmal muss man einfach anfangen. Und dabei helfen Frameworks. Sie ordnen Gedanken, stellen Fragen und dienen als Bausteine, um Ideen in Produkte zu überführen. Gemeinsam mit nextMedia.Hamburg hat Martin von Neue Narrative eine Plattform für Medienmacher:innen vorgestellt, auf der es eine Reihe Werkzeuge und Artikel zu finden gibt: NeueMedien.
  • Eines der Werkzeuge hilft beim Entwickeln einer Strategie. Ich sehe immer wieder in Kundenprojekten, dass Teams sich schwer tun, wenn es um Priorisierung geht. Sei es bei inhaltlichen Fragen oder der Entscheidung, worauf sie ihre Zeit einsetzen. Dabei heißt es oft, dass nur der Strategie gefolgt werden müsse. Es sei doch alles klar. Aber ein paar Slides in Powerpoint oder eine Liste an Zielen reicht nicht aus. Auch Konrad Weber teilt einige Gründe, weshalb sich Unternehmen so schwer tun. Ich mag den Gedanken, von mehreren Zukünften zu sprechen und dann rückwärts zu planen: Welche (strategischen) Schritte und Entscheidungen könnte ich machen, um mein Ziel zu erreichen.
  • Wie kann künstliche Intelligenz einem Rapper helfen, bessere Texte zu schreiben? Google hat es gemeinsam mit Lupe Fiasco ausprobiert. Dabei entstand TextFX – eine Sammlung an Tools, die den Schreibprozess unterstützt. Sie findet Gemeinsamkeiten zwischen Wörtern, ähnlich klingende Begriffe oder andere Blickwinkel.
  • Sonntagnachmittag und ich stehe irgendwo in der Hafencity zwischen Lastenrädern. Das Cargobike Collective entstand im Rahmen der Creative Business Academy. Ich durfte ein bisschen beim Entwickeln der Idee unterstützen. Nun ist die Community gestartet, es entstehen erste Partnerschaften und ich erkenne erneut den Wert von Gemeinschaften, die ähnliche Interessen teilen.
  • Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich mit Mastodon und Bluesky nicht warm werde. Sie alle positionieren sich als Alternative zum gescheiterten Twitter/X, aber mich reizen lokale Communities viel mehr. Sie erlauben Begegnungen ohne Zeichenbegrenzung und Hashtags. Vielleicht bin ich einfach auch nur müde.
  • Und plötzlich sind vier Jahre Therapie vorbei. Ich stehe ein letztes Mal vom Sofa auf. Blicke in ein freundliches Gesicht. Gehe die Stufen runter und schließe die Tür. Hab hier so viele Gedanken ausgebreitet. Geweint. Gelacht. Geschwiegen. Dankbar für die Möglichkeit und froh, es durchgezogen zu haben. War oft genug nur einen Impuls davon entfernt, abzubrechen. Und alles so zu lassen, wie es war.
  • Höre immer wieder das Abschiedskonzert von Kummer. Und könnte mich in fast jedes Lied legen. Mich treiben lassen in den Worten, die so viel in mir anstoßen. Und irgendwie ist da ein Gefühl: Alles wird gut. Auch wenn sich an manchen Tagen nichts danach anfühlt.

Danke fürs Zuhören. 🙏
Hab einen schönen November!


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