Das Jahr begann mit dem Gefühl endlich anzukommen. Auch wenn die Welt immer unruhiger wurde. Hab viele Themen aufgearbeitet. Mich mit meiner Vergangenheit auseinandergesetzt. Verhaltensweisen versucht zu ändern. Wollte aus der Ohnmacht ins Handeln kommen. Es hat sich mehr verändert, als ich erwartet hatte.
Bin mittlerweile an einem Punkt, an dem es mir schwer fällt dem Tagesgeschehen zu folgen. Es scheint immer komplizierter zu werden. Eine gewisse Trägheit und Müdigkeit setzt ein. Unsere Umwelt macht uns klar, dass es so nicht weitergeht. Die Klimapolitik der Bundesregierung rechtswidrig. Gleichzeitig will ein Großteil der Gesellschaft keine weiteren Einschränkungen. Will nicht belehrt werden. Lehnt sich gegen die Regierung auf. Und fordert klare Kommunikation. Das System scheint defekt. Die Unzufriedenheit groß. Kriege. Terror. Populismus, Angst und Panikmache. Je mehr man erfährt, desto schrecklicher scheint es zu werden. Ein unangenehmes Gefühl, das mit dieser Erkenntnis kommt. So klappt das nicht. Merke an mir selbst, wie ich Debatten aus dem Weg gehe. Den Medienkonsum reduziere. Mich an manchen Tagen einfach nur zurückziehen möchte. Ein anstrengendes Jahr. Im Außen und Innen.
Sitze nun in meinem Kinderzimmer und die letzten Monate ziehen an mir vorbei. Alles zieht vorbei. Die Ringe unter meinen Augen verraten mein Gedankenkarussell, das nachts besonders laut rattert. Wirft mit Fragen, die ich vielleicht zu lange ignoriert habe oder deren Antworten nun schmerzen. Ein neues Kapitel. Getrennte Wege nach fast sieben Jahren. Erinnerungen in Kartons und Pläne blass-grau. Alleinsein. Weit weg von einem geregelten Tagesablauf. Verbringe die Abende bei Freunden auf dem Sofa. Dankbar für jede Umarmung und jedes Gespräch. Streife durch Eimsbüttel. Kenne mittlerweile jeden Straßenzug und jede Fassade. Immer noch mit den Händen in den Hosentaschen. Traurig. Überfordert. Für einen kurzen Moment hoffnungsvoll. Dass wir beide irgendwann wieder grinsen.
Es ist ein Jahr voller Abschiede. So endete auch meine Therapie nach vier Jahren. Ein letztes Mal die engen Stufen nach oben. Tür zu. Seele auf. Ein Lächeln und Nicken. Hab hier so oft mit mir selbst gerungen. Hab geweint und gelacht. Bin dankbar und froh, es durchgezogen zu haben. War oft genug nur einen Impuls davon entfernt, abzubrechen. Und alles so zu lassen, wie es war. Möchte aber weiter an meiner Haltung arbeiten. Will noch mehr über Beziehungen lernen. Über mich. Dinge ausprobieren und meine Perspektive wechseln. Neugierig bleiben.
War dieses Jahr endlich wieder wandern. Urlaub in Tirol. Die Sonne im Gesicht und Kaiserschmarrn im Bauch. Hab im Wendland auf endlose Felder geblickt, Frisbee gespielt und durchgeatmet. Im lauten Berlin hippes Essen probiert, Lieblingsmenschen getroffen und Potsdam erkundet. War das erste Mal bei einer Stand-Up Comedy Show. Hielt Neugeborene im Arm und lies mich von Hunden durchs Niendorfer Gehege ziehen. Auf dem Rad durch die nicht enden-wollenden Kleingärten. Durfte zweimal Hamilton sehen und einmal mit dem Rad über die Köhlbrandbrücke fahren. Saß auf einem Floß mitten in der Süderelbe. Das Knistern vom Grill und lachende Freunde. Stand mitten im Naturschutzgebiet Neßsand – mit Blick auf den Elbstrand. Hamburg ist so eine schöne Stadt. Fühl mich hier wohl und möchte nicht weg.
Dazu beigetragen hat auch das berufliche Umfeld, welches in den letzten Monaten gewachsen ist. Mit Beginn der Selbstständigkeit bin ich so vielen spannenden Menschen begegnet. Daraus entwickelten sich Projekte und Freundschaften. Bin sehr zufrieden mit meiner Entscheidung. Lange nicht mehr so selbstbestimmt gelebt. Tolle Kunden begleitet, unterschiedliche Branchen kennengelernt und eine Ausbildung zum systemischen psychologischen Therapeuten begonnen. Dankbar für nextMedia und brand eins, wo ich mich immer mit offenen Armen empfangen werde. Dankbar auch für die vielen herzlichen Gespräche in Coworking-Spaces, auf Konferenzen und Veranstaltungen. Muss noch lernen, mit den schwankenden Einnahmen klar zu kommen und konsequent Urlaube einzuplanen. Bin neugierig, mich noch mehr mit dem Thema No-Code auseinanderzusetzen und für gewisse Zeit im Ausland arbeiten zu dürfen. Und sehr gespannt, wie sich das Neue Amt Altona entwickeln wird und wen ich auf der re:publica im kommenden Jahr wiedersehen werde.
Seit langer Zeit empfinde ich meinen musikalischen Jahresrückblick als langweilig. Nur wenige Alben haben mich überrascht – bis auf Peter Fox, Berq und Blumengarten. Dafür viele Stunden mit meinen Lieblingskünstlern wie Fatoni, Maeckes, Deichkind und Casper verbracht. Und immer wieder das Abschiedskonzert von Kummer geschaut. Insgesamt 319 Stunden mit Grinsen im Gesicht.
Und auch bei den Podcasts gab es wenig Veränderung. Hotel Matze brachte mich in Berührung mit interessanten Menschen und ihren Gedanken. Die Doppelgänger und Lenny gaben Orientierung bei Technologie und Produktmanagement. Apokalypse & Filterkaffee erklärte mir die Nachrichtenlage. Bei Family Feelings lernte ich etwas über Beziehungen, bei Geliebte auf Zeit etwas über Sex. Fest & Flauschig, Podcast Ufo und Baywatch Berlin brachten mich zum Lachen.
Dieses Jahr war sehr emotional, auch was meinen Serienkonsum anging. Endlich This Is Us abgeschlossen und verdammt viel geweint. Und auch Heartstopper, Safe, Scenes From a Marriage und Shrinking berührten mich. Dafür konnte ich bei jerks, The White Lotus und Ted Lasso viel lachen. Und Joko hat mit seinen Formaten Wer stiehlt mir die Show und The World’s Most Dangerous Show immer wieder überrascht.
Endlich wieder mehr gelesen. Und gehört. Nur ein paar Nächte und Das Ende der Ehe haben mich sehr viel über das Idealbild einer glücklichen Beziehung nachdenken lassen. Über die Privilegien der Männer und die Beziehung zu den eigenen Eltern. Panikherz lockte mich in wilde Nächte und erklärte mir die Musikbranche. Hab in Pawlowa einen Esel begleitet und im Marschland dem Gesang der Flusskrebse gelauscht. Und zuletzt meinem inneren Kind einen Raum gegeben, während Mia Insomnia durch Vergangenheit und Gegenwart reist, um ihre Welt zu verstehen.
Auf ein Jahr zurückzublicken, das in so kurzer Zeit aus den Angeln gehoben wurde, fühlt sich seltsam an. Da ist verdammt viel Ungewissheit. An manchen Tagen habe ich Angst. An anderen Tagen fühle ich mich zuversichtlich. Hab auch diesen Rückblick mehrmals umgeschrieben. Mittendrin abgebrochen. Es tut weh, durch die ganzen Erinnerungen zu scrollen. Viele schöne Momente. Aber auch graue Momente. Nicht zu wissen, was nun kommt. Und doch ist da diese Hoffnung, dass es wieder gut wird. Fühlt sich nicht danach an. Aber alles wird gut. Alles wird gut.
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