Fragmente 🍂 Herbst 2025

Bunte Blätter in der Kapuze. Die ersten Kastanien und das vielleicht letzte Open-Air-Konzert. Ich mag den Herbst. Seine Farben und Gemütlichkeit. Ich verfluche den Herbst. Seine Dunkelheit und Kälte. Hab die letzten Wochen zu sehr genossen. Spaghetti-Eis und Radtouren. Den Ausflug in den Tierpark. Lernen und Stolpern durch Berlin. Drachenfliegen in Dänemark. Mit dem Alpaka durch den Wald. Kinderlachen, Schaukeln, Buddeln.

Hab nicht nur meine Wohnung bunt gestrichen, sondern auch meine Webseite. 25 Jahre online. Sitze nicht mehr im Kinderzimmer, dafür immer noch stolz vor dem Bildschirm. Blättere durch hunderte Blogeinträge. Mag dieses öffentliche Tagebuch nur zu sehr. Will wieder mehr über einzelne Themen schreiben. Unregelmäßig, dafür ausführlicher. Der Newsletter wird zukünftig alle drei Monate erscheinen. Fragmente sammeln und einordnen.

Freue mich auf Kletterkurse, Kochabende und Fabian Römer. Auf Kerzen, Ausflüge, die ersten Kekse. Und auf Spaziergänge mit dicker Jacke, Kakao und breitem Grinsen.

Worüber habe ich geschrieben?

  • Es passiert so viel um uns herum. Es passiert so viel in uns. Wir fühlen uns erschöpft. Müde vom Optimieren und Reagieren. Überforderung an so vielen Stellen. Wie kann Psychoanalyse dabei helfen, wieder Stimmigkeit zu finden? Und welche Modelle lassen sich auch im Produktmanagement aufgreifen?
  • Wir reden ständig. Geben ungefragt Tipps. Hören nur selten aufmerksam zu. Bleiben lieber an der Oberfläche. Schade. Sind wir doch alle Teile von komplexen, eingespielten Systemen. Wie wertvoll Perspektivwechsel sind, lernte ich in meiner systemisch-psychologischen Ausbildung.

Ich teile meine Gedanken regelmäßig in meinem Blog. Berufliche Gedanken landen auf LinkedIn. Eindrücke aus meinem Alltag auf Instagram oder Mastodon.

Welche Fragmente sind sonst so übrig geblieben?

  • Während ich über Wochen im Studium meine Skripte auswendig gelernt habe oder noch heute für Ausbildungen auf Multiple Choice Tests lerne, verschlingt Künstliche Intelligenz in Bruchteilen einer Sekunde das Wissen der Welt. Joe Hudson glaubt, dass sich nun der Fokus von jenem Wissen auf Weisheit verschiebt. Fähigkeiten, die nur schwer imitiert werden können. Wie emotionale Klarheit durch die bewusste Wahrnehmung von Gefühlen bei sich und anderen. Oder Urteilsvermögen aufbauend auf persönlichen Erfahrungen und einem Selbstmitgefühl. Verbindung und Sicherheit. Empathie, Verletzbarkeit und psychologische Sicherheit. Dan Shipper stimmt zu und sieht Fähigkeiten wie Intuition, Kreativität und das Gespür für Qualität als zukünftig unverzichtbar.
  • War viel unterwegs. Auf Veranstaltungen und Konferenzen wie der Product at Heart und dem Waterkant Festival. Mag die ersten Momente, wenn der Blick über das Gelände wandert. Bekannten Gesichter. Große Umarmungen. Vorfreude auf das Programm. Notizen und Bilder von klugen Sätzen. Aber auch bekannte Phrasen, Hinweise auf das eigene Buch oder beliebiges Netzwerken. Künstliche Intelligenz. Automatisierung. Skalierung. Bingo. Mich überraschen die Menschen, die nicht aus meiner Branche sind. Die ganz anders auf das schauen, was ich jeden Tag mache. Sehne mich nach mehr Überraschung und weniger Selbstvermarktung. Möchte Dinge lernen, die ich davor nicht auf dem Schirm hatte. Vielleicht muss ich auf andere Konferenzen gehen. Denn irgendwie ist da eine Müdigkeit. Die war da früher nicht. Und soll da auch nicht bleiben.
  • Liebe ist ein Begriff, den ich selten bei der Arbeit verwenden würde. Ein Artikel von Torben Lohmüller sieht nicht den Pathos, sondern ein Prinzip. Liebe als Bedingung jedes gelingenden Miteinanders. Sie schafft einen Raum, der Veränderungen zulässt. Vertrauen und Verbindung. Gegenseitiges Anerkennen. Keine Vorschrift. Kein Micro-Management. Was in einem System passiert (Arbeit) geschieht im Inneren, verborgen, jedem Zugriff entzogen. Führung wird zur Frage, wie viel Vertrauen ich wagen kann. Ob ich bereit bin, Kontrolle loszulassen. Keine Methode heilt die Beziehung. Aber vielleicht wertschätzendes Zuhören?
  • Mit 37 noch mal beim Z2X Ideenfestival reingeschlichen. Verbinde viele schöne Erfahrungen mit dieser Veranstaltung. Aufrüttelnde Impulse zu Beginn. Die Ehrlichkeit der Teilnehmenden und das Gefühl, das es besser geht. Auf einem ehemaligen Friedhof treffen sich Menschen zwischen 20 und 29 Jahren. Entstehen in Sessions, Workshops und Talks neue Perspektiven zu Klimawandel, Gerechtigkeit und Digitalisierung. Die Teilnehmenden bewerben sich mit konkreten Ideen oder Initiativen – oder auch einfach mit dem Wunsch zu lernen und sich zu vernetzen. Dankbar für die Einladung und geweckten Erinnerungen.
  • Auf ein Date mit Themen. Rausfinden, welche Themen interessant sind. Sarah Schauer beschreibt Recherche als Hobby. Nicht für die Arbeit, sondern aus Neugier. Du nimmst ein Thema mit nach Hause. Wikipedia ist der erste Kaffee. YouTube das erste Abendessen. Manchmal wird daraus eine Beziehung, manchmal bleibt es bei einem netten Abend. Aber immer lernst du etwas über dich selbst. Welche Fragen du stellst, wenn niemand zuschaut. Ich gehe neuerdings öfter auf Dates mit Themen. Gestern war ich mit Karen Horney unterwegs. Mal schauen, wer als Nächstes drankommt.
  • Kristallklares Meer, versteckte Buchten und Berge, die direkt ins Wasser fallen. Mein Arm um deine Hüften. Gespräche am Wasser. Die Natur überwältigend, rau und großzügig. Gleichzeitig war da ein Gefühl von großer Zerrissenheit. Verstörend waren die Waldbrände im Süden des Landes. Der laute, rücksichtslose Straßenverkehr und das Gefühl, dass Gleichberechtigung in manchen Bereichen noch viel Arbeit vor sich hat. Parallel habe ich Frei von Lea Ypi gelesen. Sie beschreibt darin ihre Kindheit im zerfallenden kommunistischen Regime Albaniens und den chaotischen Übergang in eine neue Welt, in der die ersehnte Freiheit sich als komplex und widersprüchlich entpuppt. Hab mich immer wieder in Ypis Erzählung gefunden: die überwältigende Natur und die große Gastfreundschaft auf der einen Seite und die spürbaren Reibungen einer Gesellschaft im Umbruch auf der anderen.
  • Vanessa war vier, Philipp fünf. Geschwister auf Zeit. Bis die Pflegefamilie sie zurück ins Heim bringt. „Kurzzeitschwester“ erzählt von Philipps Suche nach seiner verlorenen Schwester. Nach zwanzig Jahren des Schweigens. Die Doku hat in mir eine Zerrissenheit ausgelöst. Wann gehört man zu einer Familie? Was bedeutet es, ein Kind zu pflegen? Und dann gehen zu lassen? Generationstrauma, Schuld, Versagensängste. Tabus, die eine Familie jahrelang stillschweigend trägt. Bewegend und schwer auszuhalten.
  • Stromrechnungen übersetzen, bevor man rechnen kann. Tahsim Durgun ist Dolmetscher. Er vermittelt beim Arzt und auf Ämtern. Hilft seinen jesidisch-kurdischen Eltern, die das Träumen aufgegeben haben. Damit ihre Kinder irgendwann in Deutschland glücklich werden. „Mama, bitte lern Deutsch“ erzählt von Integration. Dem Versuch davon. Humorvoll, aber ohne Kitsch. Ehrlich, aber ohne Selbstmitleid. Eine Anklage und eine Versöhnung. Aber vor allem eine Liebeserklärung an seine Mutter.

Habt einen schönen Herbst. 🍂

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