Das Jahr begann mit dem Vorsatz endlich auszumisten. War zu müde von den ganzen Diskussionen und brauchte Abgrenzung. Wollte Schlachtfelder hinter mir lassen und akzeptieren, dass ich nicht alles in mir aufsaugen kann. Doch leider hatte auch dieses Jahr einen anderen Plan.
Es sollte ein Jahr der Eskalationen werden. Die Natur gibt uns zu spüren, dass es so nicht weitergehen kann. Waldbrände in Europa. Schneestürme in den USA. Hungersnot in Afrika. Die Wissenschaft warnt seit Jahren, aber der Veränderungswille in allen Schichten scheint spärlich. Zu komplex die Herausforderung. Zu unübersichtlich die Abhängigkeiten von politischen Handlungsfeldern und gesellschaftlichen Faktoren. Ein Gefühl der ständigen Überforderung – verstärkt durch einen Kriegsverbrecher, der die Ukraine überfallen hat und täglich die Ängste der Menschen in Europa schürt. Tote Zivilisten und Soldaten, eine Energiekrise und erneut Flüchtende auf der Suche nach Sicherheit. Während im Iran unter Lebensgefahr für grundlegende Frauenrechte gekämpft werden muss. Es scheint, als hält die Vergangenheit an ihrem Einfluss und Status fest: „Halt stopp! Das bleibt alles so, wie es hier ist!“ Wir müssen uns aber verändern, auch wenn das ein Ende von Sicherheit und Wohlstand im Jetzt bedeutet. Denn einfach Weitermachen wie bisher ist keine Option mehr.
Das macht (auch mir) Angst. Und kostet Kraft. Weshalb es für mich in diesem Jahr um das Finden von Gleichgewicht ging. Hab mich tief in Themen eingearbeitet, um mich dann bewusst auch wieder zu lösen. Wie bei einem Sommerregen. Ein bewusstes Wechselspiel, bei dem ich immer wieder Halt in kleinen Momenten suchte. Ob morgens auf dem Tennisplatz, mittags auf dem Rad oder abends am Kanal mit Blick ins Grüne. Merke, wie mein Körper langsam wieder zu sich findet. Meine Haare kommen zurück und mein Schlaf normalisiert sich – Schritt für Schritt für Schritt. 💪
Ich war das vergangene Jahr viel unterwegs. Stand am Strand der Flensburger Förde, stolperte durch Südkorea und schlemmte in Wien. Konnte mit Svenja endlich wieder Kultur aufsaugen: singend bei Maeckes und Danger Dan, staunend in der Elbphilharmonie und Laeiszhalle, aber auch fasziniert im Theater bei Harry Potter und den Drei Fragezeichen. Es brauchte aber nicht immer große Bühnen und Publikum, denn mit lieben Menschen durch Kiel, Potsdam, Lübeck, Stuttgart oder Brandenburg zu spazieren reicht vollkommen aus. 🥰
Diese Ausflüge schenken Kraft. Und geben mir Halt in einer Zeit, wo sich so viel neu ordnet. Hab als Mentor und Coach spannende Projekte der Hamburg Media School und Kreativgesellschaft begleitet. Gleichzeitig habe ich nach über vier Jahren brand eins die Entscheidung getroffen, mich selbstständig zu machen. Etwas Neues auszuprobieren – mit einem stolzen Gefühl beim Blick auf das Erreichte und einigen Tränen beim Abschied von einem tollen Team. Ich entdeckte meine Begeisterung für AI und verlor das letzte Interesse an Kryptowährungen. Hab mir zwei Monate Zeit gegeben, in den Tag zu leben, ein Buch zu veröffentlichen und den besten Kuchen Hamburgs zu suchen. Offizielles Ergebnis: Apfelkuchen bei geen, Cheesecake bei Kropka und Salzkaramelltorte bei Liebes Bisschen. 🍰
So sehr ich Zeit mit Menschen genieße, so wichtig sind mir Momente, in denen ich alleine bin. Meist mit Kopfhörern auf den Ohren. Dieses Jahr begleitete mich viel alte Musik – ganz vorne Maeckes und Casper, in deren Texte ich mich nur zu gerne verliere. Aber auch Neuentdeckungen wie OG Keemo, Alli Neumann oder Schmyt gingen mit mir spazieren. Insgesamt 431 Stunden mit Grinsen im Gesicht.
Noch nie war meine Podcast-App so voll wie in diesem Jahr, trotzdem hörte ich aber oft die gleichen Formate: Fest & Flauschig und Baywatch Berlin zur Unterhaltung. Bei Hotel Matze lerne ich noch immer spannende Menschen kennen und mit Cui Bono: Wer hat Angst vom Drachenlord? schaffte es die zweite Staffel erneut in meinen Jahresrückblick. Besonders stolz bin ich auf den brand eins Podcast Planetary, den wir gemeinsam mit Planet A und der BMW Foundation ins Leben riefen.
Dass serielle Erzählungen an Beliebtheit gewinnen, zeigt sich auch bei mir: Serien wie Severance, Dopesick, I May Destroy You und Watchmen haben mich gefesselt. Heartstopper ist wunderschön erzählt, die zweite Staffel Kranitz erneut lustig und Chez Krömer endet mit einem großen Finale. Einzig ein Film bleibt in Erinnerung: Everything Everywhere All at Once war eine Achterbahn, ganz ohne Übelkeit.
Es gab eine Zeit, in der ich sehr viel gelesen habe. Ich vermisse diese Abende auf dem Sofa und so meldete ich mich während meiner Auszeit in den Bücherhallen Hamburg an. Der große Sommer und Marianengraben waren wunderschöne Geschichten. Unsere Welt neu denken schenkte mir Zuversicht und Antrieb, dass wir die Klimakrise angehen müssen. Zuletzt berührte mich Sprache und Sein mit einem Perspektivenwechsel. 🙏
Es fühlt sich so an, als käme ich langsam innerlich zur Ruhe. Obwohl es im Außen immer lauter wird. Damit einher geht eine Spannung zwischen persönlichem Glück und gesellschaftlichen Krisen. Dem Gefühl, mehr Zeit für das Richtige investieren zu wollen und aktiver zu werden. Möchte im neuen Jahr genau das ausprobieren – sowohl im Privaten als auch in der Selbstständigkeit. Teil einer Lösung und nicht Teil einer Ohnmacht sein.
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Kathrin Breer sagt:
moin andreas. ziemlich genau so war von anfang an das konzept von #KeinKonzert
ich hatte während des jip-zeugs viel zu wenig zeit, weil mir währenddessen ein job gekündigt wurde und all die festangestellten ör-leute mir auf den sack gingen, aber:
du schreibst in diesem beitrag was ähnlich über die bedeutung von musik. das ist
das, was zählt (am ende, für mich 😉 )
bald mal zeit & lust für kuchen bei mir um die
ecke im karoviertel? würd mich freuen.
lg
Kathrin
7. Januar 2023 — 12:11