Schreiben. Stolpern. Schluckauf.

Kategorie: Einweggedanken (Seite 2 von 19)

Gefühle in Schockstarre, die sich vielleicht morgen ganz anders anfühlen.

Fetzen #47

Du sitzt neben mir. Hast dich in deinem Lieblingspullover verschanzt. Meine Hand liegt auf deinem Knie und ich erzähle dir von meinen Träumen. Du hast danach gefragt. Aber nicht nach den großen Träumen mit Familie, Haus und Hund. Sondern den kleinen Groben. Die Nachts zu Besuch kommen. Gegen die Tür schlagen und sich hineindrängen. Ich erzähle dir davon und du hörst zu. Mehr brauche ich nicht.

Empfänger gesucht.

Wir wechseln. Die Reifen. Die Kleidung. Die Frisur. Ändern ständig unsere Vorlieben und Geschmäcker. Bleiben kurz stehen. Lachen. Schauen uns um und ziehen weiter. Zurück bleiben einsame Gegenstände. Menschen. Herzen. Schauen dem Suchenden hinterher und beginnen im selben Moment zu verdrängen. Erinnerungen sind wie Falten. Sie werden mit dem Alter immer tiefer. Zeigen uns Vergangenes. Die schönen und traurigen Momente. Wir wollen sie ebnen. Straffen. Ungeschehen machen. Aber sie bleiben immer Teil von uns. Immer ein Teil von mir. 

Die Zeit schubst mich durch die Gänge des Lebens. Schnäppchen. Neues. Altes. Ich werde überflutet von Eindrücken. Und aus mir strömen Gedanken. Spülen jeden hinfort, der mir zu Nahe kommt. Überfordert paddeln Menschen gegen meine Fühlsinnflut. Ich strecke die Hand aus, ziehe Einzelne auf meine Insel und weihe sie ein. Halte sie fest. Und zerdrücke sie. Zu feinem Sand. Der an meinen Beinen haften bleibt. Ich trage ihn mit mir. Ich trage dich mit mir. Will nichts vergessen. 

All das macht mich zu dem, was ich behaupte zu sein. Behauptungen in eine Form gegossen. Zu heiß für deine Lippen. Ich schaue dich an. Meine Augen kriechen in deine. Und fallen aus mir heraus. Blind. Ungeschickt. Tapse ich umher. Auf der Suche nach der richtigen Suche. Ich google „Leben“. Schließe mein Laptop und renne barfuß in Richtung Sonne. Bleibe an der nächsten Straßenecke stehen. Warte auf ein Zeichen. Doch finde nur… 

Es kommt alles, so wie es soll. Aber woher weiß es meine Adresse?

Heute bin ich hier

Der Rauch hat sich gelichtet und Neujahrswünsche sind zusammen mit ihren Raketen wieder zu Boden gefallen. Ruhige Musik hat die hektischen Schläge der letzten Nacht ins Bett gebracht. Sitzen noch ein paar Momente daneben, erzählen kleine Geschichten von großen Träumen. Du sitzt auf der Terrasse, leichter Regen im Gesicht, die Haare nass. Heute beginnt alles von Vorne. Geht einen anderen Weg. Halbvolle Flaschen auf der Fensterbank. Schwarze Rauchspuren an den Fingern. Diese friedliche Ruhe und nicht mehr. Vergessen sind wilde Umarmungen, hektisches Fliehen vor Funkenschleudern. In der ferne duften Mandeln. Ich sitze in der Ecke des Raumes. Lasse Blicke streifen und an hohen Decken empor steigen. Dort sitzen sie dann und blicken auf die Szenerie hinunter. Vergangenes wirkt farblos. Wenige Konturen, die noch Ausmaße der letzten Monate mutmaßen lassen.

Du bekommst von alledem nichts mit. Bist in deinen eigenen Gedanken, lässt dich von ihnen wärmen. Da kommt nichts an dich heran. Weder die verlorene Liebe, noch die wiedergewonnene Angst vor dem morgen. Da ist nichts als Zuversicht. Ein nicht enden wollender Horizont, Vogelschwärme durchziehen den blauen Raum. Stehst auf und gehst an das Fenster. Deine Gedanken überdecken das Grau hinter dem kleinen Garten. Deine Füße spüren buntes Konfetti. Hast du gestern das getan, was du wolltest? Oder dich vom drumherum leiten lassen? Fragen, deren Antworten nie geschrieben werden. Lässt sie heraus und ziehen. Kaffee auf dem Tisch. Schwarze kleine Pfützen. Bitter und irgendwie unpassend. Die Musik wird hektischer. Kannst es einen Moment ertragen, dann gehst du durch den Raum. Machst mit einer Handbewegung ganze Orchester stumm. Sie hören auf dich, während du nur einer Sache Gehör schenkst. Sie atmet ruhig und liegt noch im anderen Zimmer. Hat die Augen geschlossen. Du dein Herz weit offen, während du dich neben sie setzt. Traust dich nicht sie zu berühren, zu groß die Angst sie zu wecken. Aber das innere Verlangen ist stärker und so streichst du ihr kurz über die Wange. Die Belohnung folgt sofort wenn auch nur für eine Sekunde. Sie grinst und ein warmer Schauer läuft deine Arme entlang. Lässt dich ebenfalls grinsen, doch wird dieser Zustand den gesamten Tag anhalten. Und das ist richtig. Fühlt sich so an, als muss es so.

Du bleibst sitzen. Regungslos blickst du in ihr Gesicht. Draußen geht alles seinen bekannten Lauf, aber davon bekommst du nichts mit. Dein Fuß wippt mit der Melodie. Langsam aber gewollt. Weshalb aufstehen, wenn man die schönsten Momente im Liegen erlebt. Phantasievolle Träume, leidenschaftliche Bewegung und Momente der Sicherheit. Der Vertrautheit. Und deshalb bleibst du in diesem kleinen Zimmer. Streifst deine Schuhe ab und legst dich neben sie. Irgendwann ausblenden und euch beide frei lassen. Ohne Publikum. Ohne Fragen oder lästige Prophezeiungen. Nur du und sie, ein paar Töne und Waffeln.

Jedes neue Jahr gibt dir die Chance auf Vorsätze. Neue Sprünge, neue Wege, neue Ziele. Ich lasse das alles auf der Liste des letzten Jahres. Lasse die Liste auf dem Tisch und den Tisch im Gestern. Denn heute bin ich hier. Bei dir. Und da will ich gerade sein.

Fetzen #46

Mit jedem geteilten Geheimnis streife ich eine schützende Schicht ab. Mag wieder spüren und gespürt werden.

Niemand.

Wie gerne würde ich mit breiter Brust vor dir stehen. Ein Grinsen im Gesicht. Wie es mir geht? Mir geht es sehr gut. Danke. Ich würde es gerne so meinen. So fühlen. Ehrlich gesagt fühle ich aber nicht viel, das man greifen und beschreiben könnte. Die Augen müde. Das Grinsen hängt an schmerzenden Fäden. Hab mir die Mundwinkel nach oben geklebt. Die Schultern nach hinten getackert. Nur um nicht aufzufallen. Tauche gerne unter – doch momentan würde ich lieber woanders sein. Ohne hell und dunkel. Alles eingefroren. Pausetaste. Gib mir verdammt nochmal eine Pausetaste.

Quer durchs Land für eine Umarmung, die ich dann nicht einmal richtig erwidern kann. Sitze an kleinen Tischen und erzähle von großen Ängsten. Die Worte gleichen einander und die Blicke meiner Freunde tun es ebenso. Leichtes Taumeln ohne Tänzeln. Tip. Tap. Ein Getränk für den traurig schauenden Jungen. Meine Hände formen Linien. Meine Gedanken mehr Unkraut. Alles rausreißen. Verbrennen. Diese ganzen Bilder. Von mir und dem Grau. 

Wird es dunkel, dann rede ich mit dir. Erzähle von meinen Tagen. Wie früher. Einblicke im Tausch gegen Ausblicke. Autobahnbrummen als Soundtrack. Habe lange nicht mehr so viel geweint. Und kann dir nicht sagen wieso. Ich kann es dir nicht sagen. In meiner Brust schlägt etwas. Doch es schlägt für niemanden. Und dieser niemand nimmt ganz schön viel.