Andreas Spiegler

Schreiben. Stolpern. Schluckauf.

Archive (Seite 38 von 67)

Drüberleben. Für mich.

Drüberleben. Das Erstlingswerk von Kathrin Weßling wurde in vielen Medien vorgestellt und besprochen. Ein Roman über Ida, zu deren täglicher Begleiter die Depression geworden ist. Das Gefühl, komplett alleine zu sein. Falsch zu sein. Ein Leben, das an dir vorbeizieht, während du gelähmt zuschauen musst.  Kein Ratgeber und auch keine Suche nach Erklärungen. Direkt. Ehrlich. Schmerzhaft. Jede Zeile hinterlässt hauchdünne Kratzer. Lässt einen teilweise innerlich schreien. Wie in einem Traum, wo alles im Zeitraffer läuft. Man weiß, dass etwas nicht stimmt. Und dennoch wacht man jeden Morgen auf. Mit dem selben Gefühl. Dem selben Blick, der starr an der Zimmerdecke zerspringt. 

Ich habe relativ lange für das Buch gebraucht. Hab es gefühlt sehr langsam gelesen. Bin am Zeilenende abgerutscht und hab von vorne begonnen. Ich kann nicht sagen weshalb, aber mir kamen sehr viele Dinge bekannt vor. Kleine Momente, die man selbst erlebt hat. Die man von Freunden kennt, mit denen man nicht nur über Belanglosigkeiten spricht. Bilder in Buchstabenform. Umschreibungen, die klarer nicht sein könnten. Und ein innerer Konflikt, der am Ende jedes Kapitels tobte: Schuld. Die ständige Frage nach Gründen. Ursachen. Man versucht einen Schuldigen zu finden. Eine Person. Eine Reihe an Geschehnissen, die dafür taugen, um eine Umverteilung vorzunehmen. Weg von mir und woanders abstellen. Erklärungen, die den Nebel kein bisschen verdrängen. Eher alles noch undurchsichtiger erscheinen lassen. Spricht man über Depressionen, so sind es entweder sehr kurze Monologe oder man einigt sich auf Mitleid. Ich hatte das Gefühl, dass Kathrin Weßling gerne auch mal die Betroffenen zu Wort kommen lassen möchte. Menschen, die ihren Alltag mit Erkrankten teilen. Sie lieben. Sie brauchen. Persönlich denke ich die letzten Monate sehr oft darüber nach, wie wir Menschen bewerten. Und warum wir es überhaupt tun. Warum wir vergleichen. Und wer den Maßstab vorgibt. Natürlich komme ich zu keiner Lösung – dennoch hab ich das Gefühl, als seien wir doch irgendwie alle auf der gleichen Suchen. Gestalten sie nur anders. Und vor allem, teilen wir sie anders mit unserer Umwelt. Was passiert, wenn keine Schublade passt? Wenn wir merken, dass wir uns nirgendwo einordnen können? Fängt dann nicht jeder damit an, sich Krankheiten auf die Stirn zu schreiben? 

Natürlich wünscht sich Ida im Roman, dass sie ihr Leben in geordnete Bahnen lenken könnte. Die Müllberge in der Wohnung verschwinden und sie etwas durchziehen kann. Aber irgendwie mag ich mir  nicht vorstellen, ob diese Person, mit all ihren Facetten und Erfahrungen solche Dinge als erfüllend empfinden würde. Ein Mensch, dessen Herz so viele Dinge mitgemacht hat, kann sich doch nicht mit komplett divergenten Persönlichkeiten vergleichen. Ich persönlich bin ein Mensch, der gerne fühlt. Laut lacht und leise weint. Ein Mensch, der an manchen Tagen völlig verträumt durch die Gegend stapft und an anderen Tagen völlig konzentriert seine Arbeit verrichtet. Ich genieße beides, doch kann mir gut vorstellen, dass es einen Punkt gibt, an dem eine Seite die Überhand gewinnt. Und dort setzte Drüberleben für mich an. Indem es bei mir den Wunsch geweckt hat, mehr über Menschen zu erfahren. Egal ob mit oder ohne Depressionen. Einfach nur erfahren zu wollen, was in ihnen vorgeht. In diesem einem Moment. Und dafür bin ich dem Buch sehr dankbar.

Erwachsenwerden

Vielleicht spielen wir nur Erwachsene, und da wir alle keine Ahnung haben, wie man das macht, folgen wir doch irgendwie den Klischees.

Sue schreibt über Partys. Rumstehen. Jeder erzählt von seinem Beruf. Die Abiprüfung ist vergessen, die Dozenten wurden oft genug diskutiert. Heute sind es hippe Agenturen, bunte Air Max 1 an unseren Füßen und Kaffee aus nachhaltigem Anbau.

Eine große Party und jeder will auf der Gästeliste stehen. Will dazugehören. Das nervt mich gewaltig. Anstatt mehr von uns zu erzählen, berichten wir von anderen. Großen Musikern. Wichtigen Büchern. Tollen Geschäftsideen. Nicht, dass diese Dinge uninteressant wären. Aber doch habe ich sie alle bereits gehört. Immer die selben Geschichten. Wochenende für Wochenende. Unsere Interessen machen uns aus. Doch warum interessiert sich niemand für das dahinter? Die Ängste, Sorgen, Wünsche und Niederlagen…

Frontand

Bei Frontand bin ich über einen sehr schönen Beitrag gestolpert, in dem kurze Videoportraits gesammelt wurden. Portraits von Menschen, die einer Leidenschaft nachgehen. Darin aufgehen. Kraft tanken. Gegenstände durch Handlungen erschaffen und dabei sich selbst zu finden scheinen. 

Diese Suche nach Erfüllung treibt viele an – kann gleichzeitig aber auch demotivieren, sofern sie erfolglos bleibt. Ich habe in den letzten Monaten begriffen, dass ich sehr gerne beobachte. Stehen bleibe, um mich dann wieder treiben zu lassen. Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten möchte, ohne dabei ein Urteil fällen zu müssen. Aus diesem Grund habe ich wenig gebloggt. Wollte Geschehnisse unkommentiert belassen. 

Doch irgendwie juckt es in meinen Fingerspitzen. Möchte Buchstaben zu Sätze formen. Damit spielen – auch wenn es am Ende nur drei Menschen lesen. Neben meinen Einweggedanken sollen hier wieder kleine Geschichten und Fundstücke aus meinem Alltag ihren Platz finden. Und ich würde mich freuen, wenn sie ihren Weg finden =)

Funkelnder Rauch am Tresen

Dicker Rauch in deinen Haaren. Versuchst ihn raus zu prügeln. Dein Glas. Schon wieder leer. Dein Blick. Schon wieder leer. Lässt ihn wahllos an Gästen hinab gleiten. Seit mehreren Stunden ist der einzige Halt ein alter Barhocker. Rotes Polster. Angebrochene Holzbeine. Doch du sitzt immer noch. Wartest auf eine Veränderung. Wartest. Und wartest.

Der Barkeeper schenkt dir ein Lächeln. Du ihm deine letzten fünf Euro. Verknittert wandern sie über die klebrige Theke. Im Gegenzug rutscht ein Glas voller Hoffnung auf dich zu. Was mache ich hier? Abend für Abend für Abend. Denkst an früher. Die Locken im Fahrtwind und deine beste Freundin neben dir. Gemeinsam am Hafen. Der Schnellere gewinnt. Heute ist sie aus dem Blickfeld gerutscht. Du sitzt alleine in dieser Bar, die dir eigentlich zu wider ist. Gierige Blicke schauen auf dein Top. Sie tun gut und verletzen zugleich. 

Irgendwann wird das alles zu Ende sein. Dann weicht das schummrige Licht der Klarheit, die einst verschwand. Irgendwann werdet ihr euch wieder treffen. Lautlachend über den Kiez streifen – ohne das Bedürfnis, stehen bleiben zu wollen. Du wirst strahlen. Wirst einfach nur strahlen. Doch heute bleibt es beim Funkeln der kleinen Diskokugel. Und dem Rauch in deinen Haaren.

Fetzen #30

Unsicher tänzelnd bewege ich mich durch bunt erleuchtete Straßen. Blicke in fröhliche Gesichter. Gleichbleibender Takt unter monotonen Gesprächen. Meine Hand hält deine Angst. Hält sie fest und lässt sie dir nicht näher kommen. Mit einem breiten Lächeln stimmst du mir zu. Kein Wort von Nöten. Sind wir ganz alleine? Oder schaffen wir es nur immer wieder jeden Blick auszublenden. Jeden Gedanken, der mit erhobenem Schwert auf uns zuläuft.

Dein Duft. Deine niedliche Art und Weise anderen Komplimente zu machen. Lass uns noch einmal tanzen – dann geht das Licht aus. Und alles was bleibt, sind wir und diese eine Melodie. Herzmusik.