Andreas Spiegler

Schreiben. Stolpern. Schluckauf.

Archive (Seite 36 von 67)

In Ihrem Haus

Man sitzt auf einer Parkbank. Beobachtet das Treiben. Verfolgt einzelne Personen. Lässt sich Geschichten einfallen. Verwirft diese wieder. Steht irgendwann auf und geht zu einem anderen Ort. So sollte es sein. Der 16-jährige Schüler Claude geht einen anderen Weg. Im Film “In Ihrem Haus” beschreibt er das Leben eines Klassenkameraden. Indem er sich in sein Leben einschleicht.

Dazu kommt es, nachdem sein Literaturlehrer die Leidenschaft fürs Schreiben in ihm weckte. Claude will immer mehr erfahren. Ergänzt seine Beobachtungen Kapitel für Kapitel. Und sein Lehrer folgt den Episoden gespannt. Gibt ihm Ratschläge, wie er den Leser fesseln kann. Es entwickelt sich ein spannender Thriller, bei dem niemals klar ist, was wahr und was erlogen war. Der Zuschauer liefert sich der Erzählung aus. Und geht mit mehr als einer offenen Frage aus dem Kino. Ein toller Film. Ein Film, der mich wieder motivierte, mehr zu schreiben. Zu Beobachten. Lange Texte zu veröffentlichen. Geschichten zu skizzieren und dem Leser den Feinschliff zu überlassen. (Review auf Zeit Online)

Fetzen #33

Irgendwann habe ich aufgehört zu wollen. Zu fordern. Zu verfolgen. Habe die Kapuze ins Gesicht gezogen und wieder angefangen zu träumen. Ein neugieriges Kind mit den Händen in den Hosentaschen.

Findest du mich?

Die Sonne geht unter. Ich gehe auf. In Melodien, die meinen Kopf fluten. In der Hand ein Stift. Seine Macken bohren sich in meine Haut. Du schläfst. Monoton hebt und senkt sich die Decke. Dein Kopf ruht auf meinem Kissen. Kannst es haben. Es gehört dir. Ich gehöre dir. Hab jeden meiner Gedanken auf einen Zettel geschrieben. Dir vorgelesen. Und du hast zugehört. Hast deine Welt pausiert, um meine aufzunehmen. Und nun sitze ich neben dir. Versuche leise diese Zeilen auf Papier zu bekommen. Darfst nicht aufwachen. Nicht wegen mir. Zu sehr genieße ich diese Ruhe. Die Ruhe nach dem, was war. 

Draußen ist nichts. Gelbschwarze Schatten an grauen Häuserwänden, hinter denen so viele Menschen auf der Suche sind. Die Augen stets geöffnet. Man darf nichts verpassen. Nichts übersehen. Nichts unbewertet entkommen lassen. Ich kenne das. Es ist ein Teil von mir. Eines von vielen. Du bist ein Teil von mir. Eines von vielen. Und das soll so sein. Muss so sein. Für diesen Augenblick. 

Ich finde mich… Findest du mich, wenn du nachher aufwachst? Frage ich mich. Und verlasse das Zimmer.

140 Zeichen. Zuwenig für mich.

I’ve realized—Twitter is outsourced schizophrenia. I have a couple hundred voices I have consensually  agreed to allow residence inside my brain. (Adam Brault)

Ich bin kein großer Fan von Twitter. Das hat verschiedene Gründe. Persönliche Gründe. Und auch dienstbedingte Gründe. Relativ früh habe ich damit begonnen zu twittern, um Bloggern privat zu folgen. Langweilige Abende zu überstehen. Der private Austausch stand im Vordergrund. Nebenbei informierte ich mich über technologische Entwicklungen. Gadgets. Oder Tagesgeschehen. Der Dienst wurde bekannter. Wurde überall integriert und mit der Zeit bildeten sich verschiedene Lager. Innerhalb dieser Lager gibt es – so empfinde ich das jedenfalls – einen hohen Konkurrenzkampf. Favstar, Statistikwerkzeuge und so weiter. Dinge, bei denen man aber nicht mitmachen muss.

Was ich mehr bedauere, ist dass der Dialog nur zwischen wenigen Personen geschieht. Überhaupt möglich ist. Nicht zu vergessen, dass Twitter auch kein Dienst ist, um zu diskutieren. Gespräche zwischen zwei Personen werden sehr schnell unübersichtlich. Die geforderte Knappheit der Zeichen und menschliche Verhaltensweisen führen dazu, dass andere Interessierte eiskalt ignoriert werden. Twitter-Elite und so. Ich will mich da überall nicht einmischen. Jeder hat seine Gründe, aber im Laufe der letzten Monate habe ich für mich selbst gemerkt, dass ich die besten Gespräche außerhalb von Twitter führe. 

Ein weiteres Problem ist der ständige Lärm. Die Timeline schläft nie. Hunderte Tweets rauschen an mir vorbei. Hunderte Stimmen schreien. Pöbeln. Sind witzig. Versuchen witzig zu sein. Wiederholen Themen. Bekriegen sich mit Hashtags. Eine Priorisierung von Inhalten ist nur schwer möglich. Ich könnte selektieren, dann verpasse ich aber Belangloses, das auch sein Reiz hatte. Und so verliert Twitter für mich persönlich an Relevanz und Nutzen.

Ich bevorzuge im Moment wieder vermehrt Blogs und Aggregatoren. Steuere Nachrichtenseiten und Online-Magazine an, um an Artikel zu kommen. Klicke mich durch Empfehlungen auf Quote.fm und versuche über Blogs und deren Blogrolls spannende Themen zu entdecken. Und das reicht mir. Wenn ich zu ortsbezogenen Themen oder aktuelle Informationen zu Geschehnissen brauche, dann nutze ich Twitter. Ansonsten bleibe ich bei Blogs und ihren Kommentaren. Oder eben Veranstaltungen. Mit der Möglichkeit, richtig zu diskutieren. Aber 140 Zeichen sind mir einfach zu wenig. Tut mir Leid.

Update: Chris Williams beschrieb auf der JSConf EU 2012, weshalb er sich komplett zurückgezogen hat. Sehenswert