Das haben wir schon immer so gemacht. Nie hörst du mir zu. Immer muss man dich daran erinnern. Nie glaubt man uns. Scheinbare Eindeutigkeit und gefühlte Gemeinschaft. Wir suchen Muster. Brauchen Strukturen. Wo Unsicherheiten warten, geben diese zwei Worte Kontrolle. Schubladen zum Einsortieren. Schwarz und weiß. Links und rechts. Für immer und für nie.

Wäre schön, wenn es so klar wäre. Ist es aber nicht. Viel mehr bewegen wir uns dazwischen. Wechseln zwischen Nähe und Distanz. Zwischen Verstehen und Missverstehen. Zwischen Liebe und Wut – manchmal sogar gleichzeitig. Merke, wie gefährlich diese Verallgemeinerungen sind. Sie nehmen uns die Neugier auf Menschen und ihre Bedürfnisse. Sie rauben uns den Mut zur Veränderung. Verhindern Abweichung und Überraschung. Sei es in der Produktentwicklung, bei ersten Begegnungen oder in langjährigen Beziehungen.

Muss mich regelmäßig darauf hinweisen, wenn ich aus einer einzelnen Beobachtung eine Identität erschaffe. Steckt doch oft viel mehr hinter einem Verhalten. Ein ständiges Pendeln. Wo gestern Gewohnheit der Auslöser war, ist es heute vielleicht Skepsis. Versuche mit Fragen einen Raum zu schaffen. Lasse mir Handlungen erklären. Und gibt es keine eindeutige Antwort, ist das meist der Beginn für Annäherung. Kreativität durch Ausprobieren. Weniger Schutzschild und mehr Risiko. Will das Gegenüber verstehen. Sei es eine Freundin, ein Kunde, eine Kollegin.

Auch ich wünsche mir Sicherheit. Eine Vorhersehbarkeit. Akzeptiere ich aber Zwischentöne und ein Vielleicht, dann ist da mehr. Mehr Nähe. Mehr Graustufen. Mehr Ausnahmen. Und weniger Einsamkeit in gefühlter Gemeinschaft. Haben wir schließlich immer so gemacht. Dann können wir es auch mal anders machen.

Welche Fragmente sind sonst so übrig geblieben?

  • Die Füße tief im Sand vergraben. Sonne im Gesicht. Hunde suchen Schatten. Wir suchen Steine. Ein paar Tage durchatmen. Auszeit in Dänemark. Pommes und Kuchen. Geschmolzenes Eis auf den Fingern. Stolpern über Äste und bleiben einfach liegen. Da ist ganz viel Neuanfang zwischen ganz viel Vergangenheit. Und da ist ganz viel Vorfreude.
  • Wieder auf der re:publica. Mag die neugefundene Tradition. Und die vielen bekannten Gesichter. Wieder zu viel verpasst, aber werde besser es zu akzeptieren. Das Motto Generation XYZ. Wie wollen wir eigentlich zusammenleben, wenn alles immer komplexer und lauter wird? Wieder dieses Gefühl von Aufbruch und Dringlichkeit. Lernte Dinge über Aufmerksamkeit, Tech-Bros, Kampf um Gerechtigkeit und das Gehirn, Einsamkeit, Liberalismus, gesellschaftliche Kipppunkte und das AfD-Verbot. Fühlte mich teilweise wie auf einer Demo. Gestärkt und nicht alleine. Wieder ein schönes Gefühl.
  • Stehe bei strahlendem Sonnenschein im Garten von Freunden. Schaue auf das Ehepaar. Strahlen im Gesicht. Eine gewisse Form des Stolzes. Dankbarkeit für die andere Person. Und für Zufälle. Szenenwechsel. Stehe bei strahlendem Sonnenschein an der Elbe. Auf meinem Arm das Kind von Freunden. Völlig begeistert beobachtet es die Wellen. Kommen und Gehen. Ein Glucksen. Vertrauen. Beide Situationen wunderschön. Beide Situationen dennoch schwer. In Gedanken gehe ich die letzten Jahre durch. Begleite diese Menschen durch unterschiedlichste Phasen. Auch ich war woanders und bin es heute noch. Dankbar für die Möglichkeit, ein Teil zu sein. Aber manchmal auch traurig, kein Teil zu sein.
  • Quick-Wins. Optimierung an der Oberfläche. Doch Probleme in Organisationen liegen oft tiefer. In veralteten Strukturen, widersprüchlichen Stoßrichtungen und gewachsenen Altlasten. Systemisches Denken hilft, hinter die Symptome zu blicken, Ursachen zu entwirren und die Dynamik sichtbar zu machen. Tief eintauchen statt schnell ausbessern. Machtstrukturen verstehen und Muster erkennen. Tools wie Service Blueprinting und Systems Thinking machen sichtbar, wo angesetzt werden muss. Und sie machen erlebbar, dass System als lebendigen Organismus zu begreifen sind. Voller Reibung, Widersprüche und Möglichkeiten.
  • Alzheimer als Form des Exils. Und als Ort neuer Begegnung. Arno Geiger erzählt in „Der alte König in seinem Exil“ die zärtliche Annäherung an seinen erkrankten Vater. Erinnerungen, die verschwimmen. Verlust und Verwandlung. Er begleitet seinen Vater in die eigene Welt, statt ihn zurückholen zu wollen. Dabei entdeckt er Würde, Humor, Poesie und eine neue Form der Liebe. Ein leises Buch über das Loslassen, das Bleiben und Finden von Verbundenheit.
  • Oft heißt es, Menschen hätten klare Bedürfnisse, die man einfach erfragen kann. In Wirklichkeit sind diese situativ und entstehen aus Lebensumständen. Dan Shipper zeigt, dass Menschen selten eine Liste ihrer Wünsche parat haben. Erst durch einen kreativen Impuls, eine eigene Perspektive, werden verborgene Bedürfnisse sichtbar. Spürbar. Etwas, das künstliche Intelligenz nicht kann. Kreative Provokation und empathisches Experimentieren. Es geht nicht nur um das Sammeln objektiver Daten, sondern auch darum, ein Gespür für die Dynamik zwischen Mensch und Moment zu entwickeln: Product Sense.
  • Seit 2018 sitzen Menschen wie ich in einem Kiosk an der U-Bahn Emilienstraße. Wir hören zu. Das ZDF hat dabei zugeschaut. „Wer offen zuhört und mitfühlt, lernt sich selbst und seine Gefühle besser kennen. Wer andere versucht zu verstehen, versteht sich selber besser. Zuhören ändert das Leben, Zuhören ist ein Geben und Nehmen“, sagt Gründer Christoph Busch.
  • „Innovation ohne Umkehr ist nur Iteration.“ – Was, wenn Mut nicht in Geschwindigkeit und Anpassung, sondern in Stillstand und Verstehen liegt? Produktivität, Output und Machen scheint die einzige Währung zu sein. In einer Welt, die sich immer schneller dreht. Luke Burgis schildert eindrucksvoll, wie sich subjektives Zeitempfinden verändert hat: Alles ist schnell – und es macht krank. Selbst erzwungene Pausen wie der Lockdown führen nicht zu Entschleunigung, sondern verstärken das Gefühl, permanent getrieben zu sein
  • Als Komplize mag ich Genossenschaften. Sie sind ein Raum zum Mitgestalten, Lernen und Teilen. Deshalb bin ich investierendes Mitglied des Neuen Amt Altones (NAA), einer Mischung aus Co-Working und Nachbarschaftstreffpunkt. Mit Regine und Birga sprach ich im Podcast „Neu & Amtlich“ über Arbeit, Haltung und leise Töne. Bis Ende September könnt ihr noch Mitglied werden. Das kann sehr schön werden.

Was machst du immer? Was nie? Und stimmt das?
Schreib mir gerne. Auch einfach so. 👋


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