Meine Jugend verbrachte ich oft in meinem Zimmer. Der Discman surrt, Magazine zwischen den Fingern und der Röhrenmonitor flimmert. Manchmal allein auf dem Fahrrad oder Basketballplatz. Hatte Freunde, aber war doch viele Stunden nur mit mir. Das hat sich mit den Jahren geändert. Heute ziehe ich viel Kraft aus Begegnungen. Hab da diese Vorfreude, wenn ich meine Lieblingsmenschen treffe. Sie in den Arm nehmen darf. Und wir einander zuhören. Beieinander sind. Lerne mit jedem Gespräch mehr über mein Gegenüber, aber auch über mich. Gleiche meine Weltansicht ab und entdecke blinde Flecken. Erfahre von Träumen, von Ängsten oder dem Alltag. Ein kurzer Stop im Café. Eine viel zu lange Nacht auf Kneipensofas. Darf mit Kindern rumalbern oder mit Hunden kuscheln. Bin dankbar für diese Stunden. Dankbar für jeden Abschnitt, den ich begleiten durfte.

Und ja, auch heute gibt es Abende, die nur mir gehören. Texte schreiben, Musik hören, Geschichten lesen. Aber bin momentan lieber unter Menschen. Kinder toben, Menschen bummeln und halten Händchen. Ich schaue zu. Bin ein kleiner Teil des Ganzen. Neugierig, doch still. Wege, die sich für einen kurzen Moment kreuzen. Ein Lächeln. Ein Nicken. Ein Blick. Bin nicht alleine in diesen lauten Tagen.

Welche Fragmente sind sonst so übrig geblieben?

  • Hab mich nach sieben Jahren wieder vor die Kamera getraut. Zu oft geschämt für die Lücken im Haar und das veränderte Aussehen. Inzwischen wieder zufrieden mit mir. Die Lachfalten etwas tiefer, die Schuhe etwas dreckiger. Aber immer noch mit Grinsen im Gesicht. Inga hat mir die Angst vor einem Fotoshooting genommen. Und ist mir mit durch Altona gestolpert. Ich mag die Bilder doch sehr.
  • Ein Jahr SPACE. Ein Ort, an dem Technologie und Content aufeinander treffen. Mitten in der Speicherstadt, wo Möwen kreischen und Barkassen die Touristen durch die Kanäle tragen. Bin gerne dort, denn auch hier treffe ich immer wieder tolle Menschen. Kann dort arbeiten und von anderen lernen. Schön, dass eine Stadt diese Begegnungen fördert.
  • An einem Strang ziehen. Als Team. Egal ob in einer Beziehung oder im Job. Leider gelingt das nicht immer, weil jeder seine eigene Perspektive hat. Seinen eigenen Blick auf die aktuelle Situation, das Ziel und die Rahmenbedingungen. Bei XING half uns die Auftragsklärung, über unterschiedliche Rollen hinweg Klarheit herzustellen. Arne Kittler verantwortete die Initiative und hat gerade eine Artikelserie über Klarheit im Produktmanagement geschrieben. Lässt sich aber auch gut auf andere Lebensbereiche übertragen. Denn kaum etwas funktioniert ohne Kommunikation als Fundament.
  • „Kommunikation ist unwahrscheinlich“ sagte der Soziologe Luhmann. Denn es ist schwierig sicherzustellen, dass eine Botschaft den richtigen Empfänger erreicht, korrekt verstanden wird und die gewünschte Reaktion hervorruft. Deshalb kann es helfen, ein Thema aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und gute Fragen zu stellen. In den letzten Monaten hab ich viel über die systemische Beratung gelernt, hab meine Haltung hinterfragt und mal wieder ordentlich gebüffelt. Somit darf ich mich nun geprüfter systemischer psychologischer Berater nennen. Und weiterlernen.
  • Teile ich meine Lieblingsmusik, ernte ich oft skeptische Blicke. Denn ja, für mich gibt es keine vielfältigere Musik als Deutschrap. Und K.I.Z. ist eine dieser Bands, die vielleicht für jede Stimmung das passende Lied hat. Denn während in der Ferne die Panzer rollen und jeder Hobby-Fußballtrainer behauptet zu wissen, wie der Konflikt gelöst werden kann, träumen doch alle nur von Frieden. Auf unterschiedliche Wege. Starkes Lied. Überhaupt ein sehr starkes neues Album. Ein anderer Ton für eine angezählte Welt.
  • Es beginnt mit einer quietschenden Bremse. Erst vorne. Dann hinten. Irgendwann wird der Bremsweg länger. Irgendwann bremst da nichts mehr. Nach knapp 10.000 Kilometern blieb mein geliebtes VanMoof S3 für mehrere Wochen im Keller. Keine Ersatzteile lieferbar. Keine Werkstatt hatte Termine. Schon doof, wenn man im Internet ein Fahrrad bestellt. Aber zum Glück Kai kennengelernt, der alles reparieren konnte. Hab es ganz schön vermisst, durch die Feldmark zu düsen.
  • Ein Wiedersehen nach vielen Jahren. Ein Moment, der alte Erinnerungen weckt, ein Kribbeln zurückbringt und zwei Menschen einander wieder zueinander führt. In „Blue Jay“ beobachten wir ein ehemaliges Paar bei dem Versuch, die Vergangenheit zu verarbeiten. Die Dialoge sind intim und ehrlich. In teils improvisierten Gesprächen werden ungelöste Momente aus einer gescheiterten Beziehung diskutiert. Ein berührender Film, der ganz ohne Lärm und Klischees überzeugt.
  • Es war wieder Product at Heart. Irgendwas zwischen Fachkonferenz und großem Klassentreffen der Produktszene. Mochte die Mischung der Themen und wurde vor allem von Branchenfremden Themen überrascht. Denn es gibt schon genug Frameworks. Warum also nicht noch mehr Experten aus anderen Feldern einladen? Von ihnen lernen, was diese für eine Zusammenarbeit benötigen und wie sie auf Produkte blicken.
  • Zuversicht entsteht oft aus kleinen Momenten. Seien es Begegnungen, Häuserfassaden oder der Wanderweg am Waldrand. In ihrem Buch „Der Trost der Schönheit“ reflektiert Gabriele von Arnim in kurzen Erzählungen, wie ihr die aktive Suche nach Schönheit in schwierigen Momenten Trost schenkt. Dabei ist Schönheit für sie keine Zugabe, sondern ein essentieller Bestandteil. Eine Notwendigkeit, um die Widersprüchlichkeit des Lebens aushalten zu können. Ein schönes Buch.
  • Langsam werde ich alt. Höre immer die gleichen Songs mit Grinsen im Gesicht. Und dann schafft es doch ein Lied im Shuffle-Modus, mich in neue Ecken zu schubsen. Paula Hartmann und Levin Liam transportieren so viel Gefühl. So viel Schmerz, gepaart mit Wut und Trotz. Mag ich sehr. Ob gemeinsam auf einem Song oder mit anderen Interpreten.
  • Den Großteil unserer Zeit verbringen wir auf Plattformen, auf denen Algorithmen entscheiden, was wir wann und wie oft sehen. Das führt zu einer Konzentration von Inhalten, aber auch zu einer Vereinheitlichung von Stil und Dialog. Wir brauchen ein wildes Internet. Denn werden komplexe Systeme (Diskurse, Gesellschaften, …) vereinfacht, werden sie zerstört. Nichts anderes erleben wir gerade. Wir müssen wieder Wissen teilen und Diskurse anstoßen, die über Selbstoptimierung, Verweildauer und Konsum hinausgehen.

Welche Begegnung ist dir in Erinnerung geblieben?


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