Durch Hamburgs Gassen spazieren. Menschen verlassen strahlend Blumenläden und Eisdielen. Die Sonne blendet und ich kneife die Augen zu. Zeit mit Freunden. Essengehen und Spielplätze unsicher machen. Apfelkuchen. Lesen auf dem Balkon. Und endlich wieder Konzerte.
Wie wichtig diese Momente sind. Mit mir und gemeinsam mit Anderen. Gegenseitig fĂźreinander. Und Erwartungen warten lassen. đ¤
Ich mag Menschen. Mag ihnen zuhÜren und mit ihnen diskutieren. Lachen. Nachdenken. Schweigen. Doch ich bin nicht gut in neuen Umgebungen mit unzähligen fremden Gesichtern. Mag keinen Smalltalk und die immer gleichen Fragen. Netzwerken oder so. Freue mich deshalb umso mehr, wenn bei Konferenzen und Veranstaltungen dieser kleine geschßtzte Raum entsteht. Auf der Dachterrasse oder am Seitenausgang.
Nach vielen Monaten, in denen Videokonferenzen und Spaziergänge mit einzelnen Menschen der Alltag waren, hat der Mai mich wieder mehr in die beschriebene ZwickmĂźhle geschubst. Hab in kleiner Runde beim New Leaders Forum Ăźber Haltung in der Medienbranche diskutiert. Und festgestellt, dass ich ein groĂer Freund von konstruktivem Journalismus bin. Mag Geschichten Ăźber Menschen, die Dinge anders gemacht haben. Es gibt genug Schreckensnachrichten und erhobene Zeigefinger.
Beim Abschluss des Journalism Innovators Program der Hamburg Media School ging es ebenfalls um Experimente. Sechs Monate haben die Teilnehmenden verschiedene Bedßrfnisse ßber Medienformate versucht zu adressieren. Dabei ging es viel um Perspektivenwechsel. Sei es bei VerschwÜrungstheorien oder arabisch-deutschen Freundschaften. Hab gelernt, wie komplex andere Medienhäuser sind. Wie sehr Journalismus auf das Format blickt und dabei das Geschäftsmodell aus den Augen verliert. Und wie (unbewusst) geschlossen manche Branchen und Blasen sind.
Und auf der OMR22 war ich hauptsächlich Ăźberfordert. Zu viele Menschen. Zu wenig Masken. Von Halle zu Halle treiben â und irgendwie das GefĂźhl bekommen, ich kann es alles gar nicht verarbeiten. Mir fehlte es an Substanz. Ein bisschen wie beim Web Summit. Alles eine groĂe Party. Und ich wunderte mich, wie eng Inhalt und Werbung auf diesem Festival verwoben waren. Zwei Tage, die sich wie der TikTok-Stream anfĂźhlten. Mit schĂśnen Ăberraschungen wie einer Fahrt auf den Hamburger Fernsehturm oder zufälligen Begegnungen mit alten Kolleginnen. Hab groĂen Respekt vor der Organisation â aber fĂźr mich entschieden: ich bin lieber auf kleinen Veranstaltungen. Mit klarem Themenfokus. (Freue mich Ăźber Tipps!)
Der Juni wird jedenfalls ruhiger. Das hab ich mir selbst versprochen. đ
Ruhe wĂźnscht sich bestimmt auch Fynn Kliemann. Seitdem Jan BĂśhmermann und das ZDF Magazin etwas tiefer gegraben haben, blicke ich nochmal anders auf Influencer. Vor allem dann, wenn sie lautstark fĂźr das Gute kämpfen (âSinnfluencerâ). Hab Ăźber meinen schmerzhaften Vergleich mit Fynn Kliemann bereits geschrieben. Ăber den Druck, den seine Projekte bei mir ausgelĂśst haben. Sehe jeden Tag neue Gesichter in den Streams, die mir das GefĂźhl geben, dass ich zu wenig mache. Dass da noch mehr Veränderung geht. Noch mehr Haltung. Doch schaut man hinter die Fassade, ist alles nicht so glänzend wie man vermuten kĂśnnte. âDas war doch klar!â spottet die eine Stimme in mir. âAber du magst es trotzdem glauben!â sagt die Andere. Vielleicht ist es der Wunsch nach Orientierung in komplexen Momenten. Ich wĂźrde mich gerne irgendwo orientieren. Wie ein Spickzettel, der Entscheidungen einfacher macht. Leider gibt es den nicht. Denn am Ende geht es da drauĂen um Aufmerksamkeit. Um teilbare Ansichten. Und somit Reichweite und Geld. Die Plattformen aber auch ihre Content Creator scheinen in einer Spirale zu stecken.
But the hype around the creator economy, of course, focuses only on the potential financial rewards. When a hobby turns into a business, fuzzier, more personal success metrics often give way to cold, hard numbers.
Kai Brach / Dense Discovery
Investoren stecken Geld in immer schneller wachsende Unternehmen. Diese mßssen noch schneller zulegen. Noch mehr Menschen ansprechen. Also greifen sie nach Zeit. Wie die grauen Männer. Es ist eine Addicition Economy. Alles wird zum Spiel. Kleine Handlungen werden belohnt. Wir fßhlen uns gut. Nächste Runde. Nächste Stunde.
Wie schĂśn wäre es, wenn die Zeit wieder als das Gesehen wird, was sie ist. Ein wertvolles Gut. Keine Kennzahl in Investorenberichten. Qualität statt Quantität liest sich gut â ist aber gar nicht so einfach. Laut, bunt und schnell gewinnt in dieser Zeit. Der Markt bekommt Angst, wenn er nicht wächst.
Die Machthabenden wollen Geld â itâs always been like that. Märkte und Handel an sich sind nicht das Problem; es sind die daraus resultierenden, kaum regulierten Praktiken: KĂźnstliche Verknappung, erzwungenes Wachstum und finanziell motivierte politische Entscheidungen sind der Kapitalismus, der uns von innen heraus aushĂśhlt.
Christoph Rauscher
Vielleicht eine der beeindruckendsten Dokumentationen zu diesem Thema ist Oeconomia. Sie beschreibt, woher Geld kommt. Warum wir immer mehr davon drucken. Und wie gut uns allen Ruhe tun wĂźrde. Nicht nur Fynn. đ§ââď¸
Aha zum Schluss: Hast du dich schon mal gefragt, warum die StĂźckchen bei fairer Schokolade so unterschiedlich sind? Und warum sie gar nicht quadratisch-praktisch sein wollen? Sie sollen die Ungleichheit innerhalb der Schokoladenindustrie aufzeigen. Wusste ich nicht. WeiĂ ich jetzt.
Ich wĂźnsche euch einen schĂśnen Juni đŤ
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