Ich stolpere immer wieder über Artikel, die sich mit der Entwicklung des männlichen Geschlechts in unserer Gesellschaft auseinandersetzen. Männer werden zu Loser. So versucht jedenfalls ein Artikel in der Süddeutsche Zeitung erneut Aufmerksamkeit zu erlangen. Immer mehr Männer sollen laut Studien alleine leben. Sie heiraten seltener und versacken bei ihren Eltern. Daraus schließt der Gastautor, dass mein Geschlecht sich vor der Zukunft fürchtet und Beziehungen meidet. Die Industrie bemerkt natürlich diesen Trend und so werden immer mehr Frauen eingestellt. Weil sie stärker sind. Zielstrebiger. Die Arbeitslosigkeit der Männer wächst. Vorwiegend in Großstädten. Und das soll uns verunsichern. Der Mann sitzt weinend in der Dusche. Laut Artikel haben wir Angst vor der Zukunft, da wir sie nicht lenken werden. Die Frauen tun das. Das schüchtert uns ein.
Was denke ich dazu? Ich werde nicht anfangen Statistiken zu hinterfragen. Auch werde ich keine historischen Beobachtungen auswerten oder Meinungen von Soziologen studieren. Ich werd ein paar Zeilen schreiben, wie ich Artefakte des Artikels in meinem Alltag beobachte. So bin ich selbst relativ früh ausgezogen. Zum Studieren in die nahegelegene Großstadt. Seit zwei Jahren wohne ich am anderen Ende Deutschlands. In Hamburg, wo ich alleine lebe. Ich mag das. Genieße den Freiraum und die Möglichkeit, auf mich gestellt zu sein. Mehr über mich zu lernen. Ich glaube es ist verdammt wichtig, Zeit und Raum für sich zu haben. Über den Alltag nachdenken zu können und vielleicht auch bewusst durch Phasen zu gehen, in denen es einem scheiße geht. Um mich herum führen Menschen Beziehungen. Beenden sie wieder. Gefühlt passiert das relativ oft, aber ich denke nicht, dass eine Bindungsangst daran Schuld ist. Wir haben gelernt, unser Leben zu gestalten. Uns wurde eingetrichtert, dass wir alles in der Hand haben. Das führte in meinen Augen dazu, dass wir auch höhere Ansprüche entwickelt haben. Ich selbst habe in den letzten Monaten bei mir beobachtet, dass man beginnt sich selbst stärker zu hinterfragen. Verhaltensweisen, Wünsche und Eigenarten auf die Probe zu stellen. Und natürlich auch, was man sich von einer Beziehung erwünscht. Im Kontrast zum Artikel scheiterte aber keine meiner (entstehenden) Beziehungen daran, dass ich Angst vor dem weiblichen Geschlecht bekommen habe.
Ich selbst finde es toll, dass Frauen erfolgreich sind. Hohe Positionen anstreben oder sich politisch/wissenschaftlich/gesellschaftlich engagieren. Wünscht man sich nicht jemanden an seiner Seite, der eine Leidenschaft hat? Und jemanden, mit dem man über diverse Themen sprechen kann? Sei es die Karriere oder die Familie. Wenn beide Partner ähnliche Träume haben, dann schreckt doch eine solche Entwicklung der Frau nicht ab. Ist viel mehr begrüßenswert.
Was ich eher glaube, ist dass Männer seit mehreren Jahren begonnen haben, ihre Rolle zu hinterfragen. Man sieht, dass Frauen sich verändern. Neue Wege gehen. Und das wollen wir auch. Manche jedenfalls. Dadurch entsteht natürlich eine Art Stillstand, denn man muss sich Zeit nehmen zu reflektieren. Man will Dinge ausprobieren. Ich will Dinge ausprobieren. Will Texte schreiben, dann kochen, dann den ganzen Tag auf dem Sofa liegen und am nächsten Tag einen Baum pflanzen. Autos auseinandernehmen und Karriere machen. Und genau dieser Prozess sorgt dafür, dass “wir Männer” auch mal alleine leben. Uns zurückziehen. Die Karriere aus den Augen verlieren und lieber malend in Berlin versacken.
Die Geschlechterrollen bewegen sich ständig. Teilweise heftig. Dann wieder minimal. Wir lernen voneinander und probieren uns aus. Was soll daran falsch sein? Ist die Tatsache, dass Männer bei ihren Eltern wohnen ein größeres Warnsignal als der Geschäftsmann, der fünf Tage die Woche in Hotels lebt, sich an der Bar Wein und Frauen bestellt und irgendwann ausgebrannt kündigt? Wir alle werden überflutet von Möglichkeiten. Das überfordert uns. Die einen mehr. Die anderen weniger. Und ja, manchmal ist man als Mann verunsichert, wo die Reise hingeht. Aber so geht es jedem irgendwann auf seiner Reise. Heute sprechen wir nur etwas offener darüber. Wenn auch nicht offen genug, sonst würde der Autor Walter Hollstein nicht von der Invasion der Loser, sondern der Invasion der Spielkinder sprechen. Denn jeder bastelt an seiner kleinen Sandburg. Ob Männlein oder Weiblein.