Schreiben. Stolpern. Schluckauf.

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Fluchtversuch

Habe die Tür leise hinter mir zugezogen. Fluchtversuch. Lasse meine Gedankenburg für ein paar Stunden alleine und streife ziellos durch die Straßen. Drei Jahre Hamburg. In den Norden geflüchtet, um die Vergangenheit zu verdrängen. Sie hat mich eingeholt und bringt mich heute regelmäßig zum Grinsen.

Laufe auf holprigen Wegen. Immer noch. Alte Villen tragen schickes Weiß, während große Bäume den Einblick verhindern. Nur nicht zu viel preisgeben. Unerreichbar. Hatte meine Probleme mit den Menschen hier, denn es dauerte oft zu lange bis Fassaden fielen. Bin ein zu offener Mensch, der viel in sich trägt. Teilen möchte. Und laut darüber lachen. Das tut man hier nicht einfach so.

Dennoch fand ich einige Gleichgesinnte. Wichtige Begleiter in stürmischen Phasen. Fühle mich wohl im Norden. Kann Straßennamen aufsagen und mit anderen Menschen Geheimtipps teilen, ebenso wie gemeinsame Geschichten und Erzählungen. Noch immer kein Stammlokal. Noch immer mein Dialekt.

Ich werde hier nicht für immer bleiben – denn es fehlt etwas. Alte Freunde. Familien-Umarmungen. Ruhe. Irgendwann geht es wieder in den Süden. Doch bis dahin lass ich mich treiben. Durch Straßen und Kanäle. Hier in Hamburg. Ganz weit oben.

City Blues

Und dann stehst du am Elbufer. Unter deinen Füßen der Sand. Neben dir kleine Kinder, die fangen spielen. Ihre Eltern mit kaltem Bier verwickelt in lauten Gesprächen, während sich vor dir die Queen Mary 2 aus dem Hafen zwängt. Begleitet von knapp 100 Schiffen, welche die Szene noch beeindruckender gestalten. Hinter mir grillen Freunde und Unbekannte. Ein Grinsen liegt in meinem Gesicht. Zwei Jahre Hamburg…

Heute bin ich über einen wunderschönen Blogbeitrag gestolpert. Er erzählt über die Liebe zu dieser Stadt an der Elbe. Von Straßen, in denen ich mich rumtreibe. Vom Wind, der mir dabei ins Gesicht schlägt. Und vom Wasser, das hier überall zu finden ist. Einen Ruhepol bildet. Für gehetzte Menschen wie mich. Nach drei Jahren Leben und Lieben in Stuttgart trieb es mich hierher. Ein Neubeginn sollte es werden. Ist es geworden. Erinnere mich an die erste Nacht in der neuen Wohnung. Ohne Licht. Ohne Handtücher. Doch mit klopfendem Herzen.

Der Wind peitscht. Kragen hoch. Kopf runter. Tunnelblick.

Seitdem genieße ich die Vielfalt. Gemütliche Cafes und schroffe Kneipen. Ein trockener Humor. Ehrliche Menschen. Neue Gesichter. Lange Nächte. Spaziergänge an der Elbe. Möven über meinem Kopf. Und zuviel Regen. Hab Menschen in mein Herz geschlossen, dort umarmt und wieder gehen lassen müssen. Sinnlose Gespräche in U-Bahnen geführt, dort geschlafen und Geschichten in Polsterritzen versteckt. Jeder meiner Schuhe beherbergt einen kleinen Strand für den Notfall. Und reichte dieser einmal nicht aus, flüchtete ich mit Lieblingsmenschen ans Meer. Ließ Drachen steigen. Robben tanzen.

Manchmal war ich kurz davor meine Höhle abzureißen und wieder in den Süden zu gehen. Manchmal vermisse ich die Berge und die Heimat. Manchmal den Kessel und das Essen. Aber dann stehst du im Morgengrauen an den Ladungsbrücken. In deiner Hand dein letztes Getränk. Müde setzt du dich ans Ufer und schaust auf die vielen kleinen Boote. Alles grau-blau. Ich werde noch eine Weile hier verweilen. Mich treiben lassen. Mit den Beginnern in den Ohren.

Das Herz am rechten Fleck, die Füße in Gummistiefeln.