Die klassische Heldengeschichte folgt einem festen vertrauten Ablauf – egal ob Film, Videospiel oder Marketing-Kampagne. Ein unscheinbarer, oft unerfahrener Mensch wächst durch das Absolvieren von Prüfungen über sich hinaus. Zu Beginn noch schwach und hoffnungslos, wird am Ende das Böse besiegt. Ein Triumph und Wandel des Selbst. Die äußere und innere Welt im Einklang. Staunen, Applaus, Anerkennung.
Was, wenn es diese Strukturen gar nicht gibt? Wenn weder Anfang noch Ende klar sind? Vielmehr sind da unvorhersehbare Wendungen, die alles neu ordnen. Die Einfluss auf einzelne Rollen haben. Gut und Böse in einer Person. Zwiespalt und Chance im ständigen Wechsel. Was wäre, wenn wir uns Geschichten erzählen, in denen keiner gewinnt? Geschichten, die vom Stolpern erzählen. Von zahlreichen Versuchen, die misslingen. Erzählungen über Einsamkeit, die bleibt. Über Schwäche, die bleibt. Und es wäre okay. Es wäre sogar irgendwie schön.
Offenheit für Unklarheit. Eine Begegnung im Suchen, im Fragen, im Zögern. Mag den Gedanken, dass wir uns in die Augen schauen würden und dann wäre da ganz viel Akzeptanz. Mit den Momenten und Gedanken, die weder heldenhaft noch beneidenswert sind. Aber sie sind da. Und wir blieben da. Neugierig und zugewandt.
Welche Fragmente sind sonst so übrig geblieben?
- ChatGPT und Perplexity sind ständige Begleiter. Ich lasse Konzepte auf den Kopf stellen, grabe mich im Dialog in neue Themen und simuliere Gespräche. Aber wie trainiere ich ein ein Modell? Wie schaffe ich es, dass die Maschine versteht, wie ich aussehe? Das Flux LoRa erlaubt das Training auf Basis eigener Bilder. Erschreckend und beeindruckend, wie leicht das in 19:41 Minuten möglich ist.
- 30 Tage Lust. 30 Tage, in denen Freddy und Zeno neue Erfahrungen sammeln. Eine Serie über Fremde und den eigenen Körper entdecken. Sich selbst verlieren. Im Club, in der Apotheke, in der Nacht. Was ist, wenn dadurch alles ins Schwanken kommt? Und sich dieses Schwanken für beide Seiten unterschiedlich anfühlt. Mochte das Schwingen zwischen den beiden Liebenden – nicht nur, weil sie dabei durch Stuttgart stolpern.
- Vor knapp zwei Jahren durfte ich im Rahmen der Creative Business Academy das Thema Kinoabo bearbeiten. Nun trage ich seit wenigen Wochen einen Cineville-Ausweis mit mir. Dieser erlaubt den freien Zugang zu Kinos wie dem Abaton, 3001 und Zeise. War seitdem spontan und geplant in den unterschiedlichsten Filmen. Traue mich an Genres, die davor aussortiert wurden. Bin viel neugieriger, wenn ich im Sitz versinke. Popcorn in der Hand. Das Handy im Flugmodus. 2 Stunden abtauchen.
- Große Kinderaugen und kleine Schritte. Ein zartes Winken. Ein breites Grinsen. Das letzte Eis im Mundwinkel. Den Blick in den goldgelben Bäumen. Mag den Herbst und seine Farben. Mag Spaziergänge mit dampfenden Kaffeebecher. Der Kragen nach oben geklappt. Die Hände in den Hosentaschen.
- In meinem nahen Umfeld, aber auch in jedem Cafe, begegne ich jungen Familien. Kinderkriegen scheint eine Entweder-Oder-Entscheidung zu sein. In Eva von Verena Kessler geht es um den Verzicht: Sollte für das Klima auf Kinder verzichtet werden? Was macht es mit einem Menschen, wenn alle Versuche schwanger zu werden scheitern? Berührende Einblicke in innere Kämpfe und äußere Verstrickungen.
- Kies unter den Fahrradreifen. Meine Lieblingsstrecke führt mich durch das Waldgebiet Klövensteen. Bunte Wiesen und Sonne, die durch Äste bricht. Pferde bahnen sich ihren Weg vorbei an verliebten Rentnern, die ihre Runde drehen. Ich sitze in einer Waldschänke. Käsekuchen und Kakao. Ein kurzer Blick auf die Kasse, während ich mein Kleingeld zusammensuche. Da gibt es den Button „Trauerfeier“. Er ist rosa.
- Bekomme Princess Charming empfohlen. Eine Frau sucht ihre große Liebe. Im Fernsehen. In einem Land, das sehr schön ist. Klingt bekannt. Und schon in den ersten Minuten wird klar, wie anders Frauen Frauen daten. Da ist so viel Neugierde und Augenhöhe. Da sind interessierte Fragen und liebevolle Gesten. Keine breite Brust und kein flotter Spruch. Da ist Verletzlichkeit. Das mag ich sehr.
- Meine sportlichen Erfahrungen sind überschaubar. Ein bisschen Leichtathletik und Basketball. Beim Tischtennis als Kind zu große Angst vor den älteren Jungs gehabt. Dafür in den letzten Jahren immer wieder auf Plätzen gestanden und Dinge über Netze geschlagen. Badminton mit den Kollegen. Squash mit Freundinnen. Hab mich beim Tennis verausgabt und den roten Sand in der ganzen Wohnung verteilt. Seit kurzem taste ich mich an Paddle heran. Mag die Feldgröße, die Geschwindigkeit und die Lernkurve. Schauen wir mal, was wird.
- Journalismus muss sich verändern. Wie die Welt, über die er schreibt. Das Publix in Berlin unterstützt diese Veränderung. Ein Raum für Austausch und Ausblick. Durfte Einblicke in meine Arbeit teilen und viele kleine Medienunternehmen kennenlernen. Bin dankbar für diese Freiheit in meiner Selbstständigkeit. Und für Begegnungen, bei denen ohne Phrasen über Unternehmen und deren Experimente gesprochen wird.
- Bin kein großer Gamer. War ich nie. Aber kann in Spielen versinken, die wie Filme sind. Hab Heavy Rain und Beyond: Two Souls mehrmals durchgespielt. Und nun endlich auch Detroit: Become Human durchlebt. Aus der Sicht verschiedener Roboter lernt man mehr über künstliche Intelligenz. Ihren Wunsch nach Freiheit und Augenhöhe. So weit weg und doch irgendwie möglich. Der Spieleentwickler Quantic Dream schafft es immer wieder, mich mit Story, Soundtrack und Charaktere in den Bann zu ziehen.
- Demenz ist eine grausame Krankheit. Nach und nach verschwimmt alles. Für den Betroffenen und sein Umfeld. Ein Kontrollverlust, der oft nicht akzeptiert werden will. In The Father begleiten wir Anthony Hopkins und spüren hautnah, wie Fragmente zerspringen. Ein aufwühlender Film, weil ich als Zuschauer selbst (gewollt) immer wieder den Faden verlor.
Wenn es keine Heldinnen mehr gibt, von wem handeln dann unsere Geschichten?
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