Schreiben. Stolpern. Schluckauf.

Kategorie: Texte (Seite 9 von 9)

Tür auf. Herz zu.

Ich klingel zwei Mal. Du öffnest die Tür und schaust mich grinsend an. Langsam dränge ich mich an dir vorbei und verschwinde in deinem Reich. Du trägst dein Lieblings-Shirt, das du schon bei unserem ersten Treffen anhattest. Es ist grau. Ein glitzender Schriftzug ziert deine Brust. Langsam setze ich mich auf deinen Sessel und betrachte den Raum. Alles wie früher. Kleine Bilder an der Wand und die Fenster lassen kaum Sonnenstrahlen hindurch. Der letzte Regen war nicht stark genug, um den Dreck der Jahre hinfort zu spülen. 

Im Hintergrund läuft leise Musik. Den Künstler kenne ich nicht. Dafür aber die Melodie. Ich habe dieses Lied schon oft gehört. An den verschiedensten Orten. Immer alleine. Doch diesmal bist du dabei. Und trotzdem fühle ich mich einsam. Streife die Jacke ab und merke, wie eine Gänsehaut Besitz von mir ergreift. Ich werde sie die nächsten drei Stunden mit mir tragen. Aber du wirst es nicht merken. 

Zwischen uns liegen etwa 2 Meter. Ich liege zwischen uns. Greife mit meinen Armen nach deinen Locken. Du hast keine Locken. Dennoch suche ich sie. Vergeblich. Deshalb gebe ich auf. Lege meine Hand auf meinen Bauch. Schweige. 

Früher hörte ich auf mein Herz. Heute höre ich auf die Decke. Die bedrohlich in mich blickt und mir einredet, ich solle endlich loslassen. Solle endlich meine Worte einpacken und verschwinden. Ich habe Angst vor der Decke. Deshalb schaue ich zu dir. Sehe ein Gesicht ohne Mimik. Eiskalt schaust du zu mir. Und ich fange an zu weinen. 

Wird mir doch klar, dass du Recht hattest. Die letzten Wochen waren nichts als Schlafwandel. Meine Träume führten mich immer wieder zu dir. Brachten mich an den Abgrund. Stellten mich vor diese eine Wahl. 

Die Sonne findet keinen Weg in dieses Zimmer. Aber auch die Dunkelheit bleibt draußen. Niemand kann hinein schauen. Keiner blickt heraus. Gefangen in einem Raum voll Erinnerungen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als wieder durch die Haustür zu gehen. Du bleibst im Türrahmen stehen. Deine Schulter kann nicht winken. Ich kann nicht. Nur laufen.

Glaube ich.

Sonnenlicht bricht in deinen Mundwinkeln. Zersplittert in Sekunden und regnet auf den nassen Grund. Mein Blick folgt den Scherben. Augenzucken. Wie lange du wohl schon dort stehst? Auf deinen Park herab blickst, der nach und nach sein Kleid verliert. Du hast mich nicht bemerkt. Glaube ich. 

Gelbe Blätter sammeln sich in meiner Kapuze. Rote meiden mich. Haben die Hoffnung aufgegeben. Zu oft habe ich sie in meiner Hand zerdrückt. Eben genau so wie die Zweige unserer Beziehung. Wollte zu viel. Gab zu wenig. Glaube ich. 

Spatzen vor deinen Füßen. Schauen neugierig empor. Du freundlich herab. Sie alle wollen bei dir verweilen. Manche gehen. Andere bleiben eine Weile. Ich war eines Tages geflohen. Hab meine weißen Nikes gebunden. Tür auf. Herz zu. Glaube ich. 

Die Schuhe glänzen nicht mehr. Tragen Schmutz, Scham und Einsamkeit in ihren Falten. Hab dich oft gesucht. Dich nicht gefunden. Mich verloren. In Dunkelheit und Händen anderer. Wurde geschubst, bin tief gefallen und nun gelandet. Glaube ich. 

Unbemerkt bin ich aufgestanden. Sonnenstrahlen kullern mir entgegen. Dein Duft in meiner Nase. Worte versammeln sich hinter meinen Lippen, die viel lieber deine verschließen wollen. Die Worte vernichten. Dafür etwas neues erschaffen. Mit dir. Glaube ich. 

Bilder vor meinen Augen. Blitze, die mich blinzeln lassen. Will nicht wegschauen. Sehe uns. Im lila Licht meiner Zuflucht. Unser Haus. Risse durchziehen die Wände. Wir haben uns alles gesagt. Zu viel gedacht. Zu wenig gemacht. Gefühlssperrmüll zwischen meinem und deinem Körper. Alle Schaufeln gebrochen. Herzmeister im Urlaub. Glaube ich. 

Berge zu tief. Ein Wir unerreichbar hoch. Steine treffen unsere Höhle. Der Boden bricht und meine graue Hülle stürzt zurück in ihren Ursprungsort. Augen auf. Zu spät. Ich rutsche auf den Scherben vor dir aus. Eine Hand greift nach dir. Die andere bleibt hängen. Im Gestern. Ein lauter Schrei. Zwei stumme Momente und drei Sekunden Augenkontakt. Ich sehe dich und erkenne mich. Abermals im Funkeln deiner viel zu großen Augen. “Darf ich…?” fragst du. “Willst du?” entgegne ich… Stillstand. Glaube ich. 

Ich liege immer noch. Nun bei dir im Schlafzimmer. Augen geschlossen. Herz geöffnet. Und du neben mir. “Hast du mich vermisst?” höre ich. Ja…

Findest du mich?

Die Sonne geht unter. Ich gehe auf. In Melodien, die meinen Kopf fluten. In der Hand ein Stift. Seine Macken bohren sich in meine Haut. Du schläfst. Monoton hebt und senkt sich die Decke. Dein Kopf ruht auf meinem Kissen. Kannst es haben. Es gehört dir. Ich gehöre dir. Hab jeden meiner Gedanken auf einen Zettel geschrieben. Dir vorgelesen. Und du hast zugehört. Hast deine Welt pausiert, um meine aufzunehmen. Und nun sitze ich neben dir. Versuche leise diese Zeilen auf Papier zu bekommen. Darfst nicht aufwachen. Nicht wegen mir. Zu sehr genieße ich diese Ruhe. Die Ruhe nach dem, was war. 

Draußen ist nichts. Gelbschwarze Schatten an grauen Häuserwänden, hinter denen so viele Menschen auf der Suche sind. Die Augen stets geöffnet. Man darf nichts verpassen. Nichts übersehen. Nichts unbewertet entkommen lassen. Ich kenne das. Es ist ein Teil von mir. Eines von vielen. Du bist ein Teil von mir. Eines von vielen. Und das soll so sein. Muss so sein. Für diesen Augenblick. 

Ich finde mich… Findest du mich, wenn du nachher aufwachst? Frage ich mich. Und verlasse das Zimmer.

Aber lach mich nicht aus.

Ich schreibe dir Zeile für Zeile. Weiße Blätter werden von schwarzen Buchstaben überwältigt. So viele Dinge, die ich dir sagen möchte – doch deine Sprache beherrsche ich nicht. Suche Worte, doch finde Leere. Greif nach ihr und stürze tiefer. Erinnerungen streifen meine Schulter. Hinterlassen graubunte Flecken. Schmerzen. Spüre deinen Atem auf meiner Haut. Drehe mich zu dir. Du hast dich verändert. Ich hab mich verändert. Möchte darüber sprechen. Mein Gegenüber lacht mich nur aus. Wendet sich von mir ab und lässt mich stehen. 

Zeitsprung. Meine Beine sind zu schwach. Heben nicht ab und so stolpere ich durch die Zeit. Kratze an Häuserwänden um deine Handschrift unter meinen Fingernägeln zu tragen. Alles wird gut. Doch will ich das? Schneller Puls. Feuchte Hände. Stehe am Bahnhof. Warte auf dich. Den Blick zu Boden gerichtet. Dein Duft in der Luft. In meinen Haaren. Ein Moment. Stillstand. 

Wache auf. Unterbewusst schlafend. Der Kopf auf ihrem Laken. Mein Handy klingelt. Ich sehe deine Nummer. Doch bevor ich abhebe, legst du auf. Löschst meine Nummer und läufst nach oben. „Lass mich dein Lächeln sein“. Aber lach mich nicht aus. Niemals.

Gedankenkrümel auf Waldboden

Laute Schritte auf leisem Asphalt. Die Hände in den Taschen. Der Blick in den Bäumen. Ich bin ständig auf der Suche. Doch brauche nichts. Hab den Rucksack voll Schokolade und die Ohren voll Melodien. Gräser verewigen sich auf meinem Schenkel. Hinterlassen Spuren wie ich meine Gedankenkrümel. Hab schon an jedem Ort genascht und jedes Gefühl verschlungen. Jetzt bin ich satt. Lege den Löffel auf den Boden. Meinen Kopf nebendran. Pausiere die Musik. Lasse die Sängerin verstummen. 

Jetzt hörst du mal auf dein Herz. Stoppst das Schaufeln, doch wirfst nichts hinfort. Eine Blume braucht Sonne. Meine Seele einen Schatten. Den du dann finden kannst. Am Fuße dieses kleinen Flusses.