Schreiben. Stolpern. Schluckauf.

Kategorie: Texte (Seite 6 von 9)

Es ist verdammt eng hier.

Es ist verdammt eng hier. Schweiß an meinen Armen. Fühle mich unwohl. Die Dunkelheit hat jeden meiner Gedanken fest im Griff. Sie zappeln nervös und schlagen um sich. Ängste. Will dich nicht verlieren an diese Masse. Wie Schlamm verschlingt sie uns. Hat den Kopf geflutet und bahnt sich ihren Weg in Richtung Herz. Meine Arme sind zu schwach. Sind zu kurz, um mich irgendwo festhalten zu können. Um dich festzuhalten. Spüre deine Finger nicht mehr und versinke im Grau. Atemnot. Der Druck steigt und meine Hoffnung fällt in sich zusammen. Wie der Traum von ewiger Liebe, sobald der andere anfängt sich umzudrehen. 

Es ist verdammt eng hier. Zig Stimmen liegen übereinander. Machen es schwer, wieder zum Boden zu gelangen. Mehrere Meter hoch sind die Versprechen. Sind die lieben Worte, die du gesammelt hast. Keine Berührung verneint und keinem Blick entsagt. Zu groß war dieses Verlangen in dir gebraucht zu werden. Geliebt zu werden. Nun wirst du all diese Momente immer bei dir tragen. Sie werden sich einmischen. Zu jeder Zeit. In jeder Situation. Bei jedem persönlichen Gespräch werden sie mithören. Werden urteilen und kritisieren. Kannst nicht mehr tun, als es über dich ergehen zu lassen. Denn du wolltest sie bei dir haben. Du wolltest irgendwas bei dir haben. Ein paar Farben und eine Melodie. Noten, die Erinnerungen in die Ferne drängen. 

Es ist verdammt eng hier. Wir hängen aufeinander, denn das Wir wurde unzertrennlich. Verkeilte sich. Du wolltest einen Schritt zurücktreten und die Situation verstehen. Wie es dazu kam und warum es dort bleibt. Ich schloss die Augen und sprengte uns entzwei. Rannte durch deine Zimmer und schmiss alles um. Riss die Bilder von der Wand und dein Lächeln aus deinem Gesicht. Mundtot schautest du mir in die Augen, die voller Wut waren. Voller Enttäuschung und Selbsthass. Und alles was du tust, tust du für mich. Der Moment vor dem Aufschlag. Der Moment vor dem letzten Kuss. Alles in Zeitlupe. Man weiß genau, was passiert. Und trotzdem passiert es nicht, denn plötzlich ist da etwas. Sind da welche. Ganz viele. Finden den Weg in deine kleine Welt. Machen sich breit und ich bleibe zurück. 

Ich warte immer noch auf den Aufschlag. Ein Schlag so fest, dass er mich zur Vernunft bringen mag. Mich zurück zu mir selbst führt. Aber das passiert nicht, solange ich hier bin. Solange ich bewegungsunfähig bin. Blind nach einem Ausgang taste. Möchte nach Hilfe rufen. Doch bleibe Stumm. Der richtige Satz mag mir nicht einfallen. Zu viele andere Sätze im Weg. Leblos liegen sie in mir. Blähen mich auf. Geben keinem Satz die Chance, an Bedeutung zu gewinnen. Es ist verdammt eng hier. 

Ich warte immer noch auf den letzten Kuss. Noch einmal dieses Kribbeln im Magen. Auf der Nasenspitze. Dein Atem an meinem Hals und meine Hände in deinen Haaren. Möchte dich zu mir ziehen, doch bekomme dich nicht zu greifen. Es scheint, als würdest du davon treiben. Jede Welle macht es schwieriger. Durch jede Gefühlsänderung werden es ein paar Zentimeter mehr. Ein kalter Raum zwischen uns. Er wird unüberwindbar. Ich höre auf zu strampeln, blicke dir hinterher und schweige. Denn manchmal lässt man es vielleicht lieber sein. 

Es ist verdammt eng hier.
In deinem Herzen.

So richtig

Warmer Kakao auf dem kleinen Holztisch. Die Sonne hinter grauen Wolken, aber eine Decke macht dies bedeutungslos. Kinderlachen und neugierige Blicke. Niemand will verpassen, wenn Lars über seinen bunten Fußball stolpert. Auf meinem Schoß das eine Buch. Begleitet mich schon seit Wochen. Fürchte mich vor seinem Ende, denn das würde ich gerne hinauszögern. Zu kräftige Bilder, die bekannte Situationen in mir wecken. Tief in mir drin. 

Ich will hier nicht weg. Will mit niemanden tauschen, denn eigentlich scheint alles so richtig. Die Stadt passt auf mich auf. Überrascht mich, wenn ich mich zu langweilen beginne. Hunderte Ecken warten darauf, durchschritten zu werden. Durchbrochen zu werden. Ich denke an die letzten Monate. Denke an die Menschen, die ich kennenlernte. An Einzelne, die ich in mein Herz geschlossen habe. Und Andere, die selbiges verlassen haben. Sie haben ihre Spuren hinterlassen. Tiefe Kratzer und den ein oder anderen Satz, der mich morgens zusammenzucken lässt. Doch so richtig ächten mag ich diese Erinnerungen nicht. 

Eigentlich sollte es mir gut gehen. Wohne mitten im Grünen, in einer Wohnung voller Farben. Kann für mich sein oder auch nicht. Bekomme Besuch. Von liebenswerten Menschen, die ihre Zeit mit mir teilen. Ihre Gedanken. Ihre Ängste und Hoffnungen. Aber irgendwas fehlt. Irgendwas verhindert, dass ich mich freue. Über die Postkarten im Briefkasten, die Filme auf großer Leinwand, die Lieder nur für mich. Suche unentwegt nach diesem einen Gefühl, das ich nichtmal mehr richtig beschreiben kann. Verschwommene Artefakte, die früher so klar schienen. Dieses eine große Gefühl. Stattdessen häufen sich Belanglosigkeiten. Immer die selben Sätze. Die selben Gesten. Ein Meer an Freundlichkeiten, aber ohne Insel. Ohne Strand. Ich mittendrin. Und so richtig voran zu gehen scheint es nicht.

Die Kraft, sie schwindet. Jeder Zug entzieht mir mehr. Und wenn ich ganz still bin, hör ich die Stimmen. Die Meinungen der anderen. Ich will sie nicht hören. Will ihnen nicht glauben, denn irgendwie ist da noch Hoffnung. Ist da noch der Wunsch nach einem Umschwung. Einer neuen Richtung. Einem Kompass. Und so tauche ich unter. Lass alles verstummen. Will bei mir sein. Ohne sie. Verkrampftes Strampeln bringt mich immer tiefer. Will auf den Grund. Will den Boden berühren. Genug geflogen. Genug versucht. Ich will wieder stehen. Will zur Ruhe kommen. Und bemerke dabei gar nicht, wie mir die Luft ausgeht. Streife den harten Meeresgrund. Es tut gut ihn zu fühlen. Etwas zu spüren, das intensiver als die Sätze der anderen ist. Etwas zu fühlen, das steinerner als die eigenen Thesen ist. Abermals fühlt es sich falsch an. Doch dafür ist es zu spät. Denn so richtig durchdacht habe ich das alles nicht.

Wieder dieser laute Schrei

Wieder dieser laute Schrei. Hängt mir seit Stunden in den Ohren. Aufstehen. Ein neuer Tag. Öffne die Fenster und starre ins Grau. Die Augen schmerzen noch. Während mich die Routine durch meine Wohnung drängt, hängt mein erster Gedanke noch bei dir. Streichelt vorsichtig deine Wangen. Ein um das andere Mal. Keine Redaktion. Zeitgleich kratzt heißes Wasser das Gestern von meiner Haut. Dünne Schichten bröckeln herab. In meinem Bad stapele ich Momente. Gemeinsames Zähneputzen. Müdes Zwinkern. Meine Arme um deine Hüfte gelegt. Öffne die Augen. Einsamkeit.

Die Winterjacke sollte schon lange im Schrank hängen. Ziehe sie an und verfluche den Winter. Graue Schuhe. Ungebunden. Für ein Frühstück reicht die Zeit nicht. Blicke erneut in den Spiegel. Nasse Haare. Kleine Falten um meine Mundwinkel. Vom Lachen. Vom Schreien. Haben gestern noch lauthals gestritten, bevor die Nacht jeden unserer Vorwürfe verschlang. Du hast die Tür hinter dir ins Schloss geworfen. Hast geflucht. Ich hab jeden deiner Schritte gehört. Das Licht im Flur, wie es irgendwann erlosch. Im selben Moment, als ich langsam zu Boden sank. Den Kopf an der roten Haustür. Alles dunkel. Musste daran denken, wie sehr ich dich liebe. Tue es gerade wieder. Naivling. 

Heute wirkt alles wie gestern. Menschen hetzen zur Bahn. Keiner blickt mir wirklich in die Augen. Zeitungsknistern. Der Geduldsfaden. Er reißt. Möchte das alles nicht mehr und breche aus. Landungsbrücken. Muss raus. Schlage wild um mich, während die Masse verstört schaut. Ihre farblosen Gesichter. Lebloser Ausdruck. Kann das alles nicht mehr sehen. Bin seit Jahren auf der Suche. Rastlos. Suche die Gründe für unsere Konflikte. Kümmere mich um jede deiner Ängste. Hab sie im Keller eingeschlossen. Doch wer kümmert sich um mich? Hört mir zu, wenn mir die Kraft fehlt? Ich streife die Kapuze über die zerzausten Haare. Inzwischen trocken. Fahl. Kalter Wind, der mich schubst. Stelle mich ans Ufer. Schließe die Augen. Schließe ab. Mit einem lauten Schrei. Wieder dieser laute Schrei. 

Ich hoffe, du hast ihn gehört.

Ein Berg voller Abgründe.

Nasser Herbstwind treibt mich durch den Hafen. Die Hände in den Hosentaschen – den Blick zu Boden gerichtet. Graue Einsamkeit flüstert mir seit Stunden ins Ohr. Ich habe kaum geschlafen. Dennoch hängen in meinen Haaren schwere Traumsplitter. Stechen kantig, wenn ich mir durch die Haare fahre. Klappernde U-Bahn-Wagons tragen gestresste Seelen durch die Stadt. Ich bleibe stehen. Suche mit meinem Blick nach Bekanntem. Sehe nur Fremdes. Ein Augenblick in Dauerschleife. Ein Augenblick zu viel. 

“Pass auf dich auf” sagtest du, bevor ich meinen Rucksack packte und davon marschierte. Mein Rücken schultert deine Worte. Ich pass darauf auf. In Gedanken erzähle ich dir von meinen Reisen. Du schaust mich dabei neugierig an. Hast dir deine Haare hinter die Ohren gestreift und trinkst kalten Kaffee. “Ich hätte dich gerne bei mir gehabt” werfe ich vorwurfsvoll in deine halbleere Tasse. Ein Wunsch, der im Schwarz versinkt. 

Wieder fühle ich den Wind auf meiner Haut. Immer und immer wieder die selben Fragen. Immer und immer wieder die selben Antworten. Und trotzdem stehe ich wie ein kleines Kind vor dir. Suchend auf der Jagd nach Erklärungen. Vor mir ein Berg voller Abgründe. Will bestiegen werden, indem man hinunter klettert. Versuche mich an der Hoffnung zu halten, die frei über der Erde schwebt. Ich lasse sie los. Ich lasse dich los. Ich lasse los. Finde im freien Fall den sicheren Sturz. Erkenne in stockfinsterer Nacht jedes Detail. Fassungslos. 

Ein kleiner Junge hat sich neben mich gestellt. Blickt mit abenteuerlichem Blick zu den Schiffen. Schielt dann zu mir herüber. Ich grinse ihm zu. Er lacht zurück. Löst in mir eine Welle von Zuversicht, die wärmend meine Jacke flutet. Irgendwann bezwinge ich den Berg. Blicke von unten empor. Und drehe alles auf den Kopf. Mühelos.

Schon wieder

Schon wieder das selbe Lied. Du bemerkst es nicht. Schaust weiter traumlos an mir vorbei. Deinen Namen habe ich vergessen, doch deinen Blick. Den kenne ich. Seit über einer halben Stunde treibt es uns über die Tanzfläche. Die Bewegung harmonisch. Das Echo monoton. Wolltest demnächst gehen, doch bleibst.

Schon wieder das selbe Getränk. Stoßen an und kippen das Zeug lachend den Abgrund hinunter. Dicht gefolgt von uns. Alles egal. Morgen wird keiner fragen, denn morgen sind wir wieder alleine. Kalte Füße unter dicken Decken. Serien auf dem Laptop. Die Erinnerung schwarz wie deine Strumpfhose. Zerrissen und abgegriffen.

Schon wieder die selben Berührungen. Körper, die mehr wollen, doch sich mit weniger zufrieden geben. Das Herz liegt zugekifft in der Zimmerecke. Kuschelt mit leeren Versprechungen. Die Nachttischlampe brennt in meinen Augen. Deine sind geschlossen. Ich folge dir.

Schon wieder dringt Licht ins Schlafzimmer. Schon wieder die selben Gedanken. Die selbe Verzweiflung. Die selbe Angst. Schon wieder die Faust geballt. Und der stille Schrei. Die Hoffnung. Das wird schon wieder.