Schreiben. Stolpern. Schluckauf.

Kategorie: Texte (Seite 2 von 9)

Niemand.

Wie gerne würde ich mit breiter Brust vor dir stehen. Ein Grinsen im Gesicht. Wie es mir geht? Mir geht es sehr gut. Danke. Ich würde es gerne so meinen. So fühlen. Ehrlich gesagt fühle ich aber nicht viel, das man greifen und beschreiben könnte. Die Augen müde. Das Grinsen hängt an schmerzenden Fäden. Hab mir die Mundwinkel nach oben geklebt. Die Schultern nach hinten getackert. Nur um nicht aufzufallen. Tauche gerne unter – doch momentan würde ich lieber woanders sein. Ohne hell und dunkel. Alles eingefroren. Pausetaste. Gib mir verdammt nochmal eine Pausetaste.

Quer durchs Land für eine Umarmung, die ich dann nicht einmal richtig erwidern kann. Sitze an kleinen Tischen und erzähle von großen Ängsten. Die Worte gleichen einander und die Blicke meiner Freunde tun es ebenso. Leichtes Taumeln ohne Tänzeln. Tip. Tap. Ein Getränk für den traurig schauenden Jungen. Meine Hände formen Linien. Meine Gedanken mehr Unkraut. Alles rausreißen. Verbrennen. Diese ganzen Bilder. Von mir und dem Grau. 

Wird es dunkel, dann rede ich mit dir. Erzähle von meinen Tagen. Wie früher. Einblicke im Tausch gegen Ausblicke. Autobahnbrummen als Soundtrack. Habe lange nicht mehr so viel geweint. Und kann dir nicht sagen wieso. Ich kann es dir nicht sagen. In meiner Brust schlägt etwas. Doch es schlägt für niemanden. Und dieser niemand nimmt ganz schön viel.

Satzzeichen. Abweichen.

Dein Name auf weißem Briefpapier. Schreibe ihn vorsichtig. Ein großer Unterschied. Diesmal ohne Datum. Jedes meiner Worte hängt zwischen den Tagen. Deine Worte sind Farbe. Meine nur grauer Kaffee. Satz. Hab jeden Satz im Kreis gedreht. Fliegen will keiner von ihnen. Dafür bleiben sie unten. Halten mich bei ihnen. Zu viele Satzpunkte, die pünktlich den Rahmen ziehen. Darin wir zwei. Erinnerungen an große Absätze. Jede feinsäuberlich ausradiert. Bleistiftspuren an meinen Fingerspitzen. Reichen aus um deinen Namen zu tilgen.

Papierstapel im Kopf. Kopfüber ins Meer.

Und das Licht geht aus

Ein leichtes Kribbeln. Völlig unauffällig und leise. Bemerkst es kaum, denn alles andere ist zu laut. Die Straße. Das Auto. Die darin sitzende Frau und ihr Kind auf dem Beifahrersitz. Hättest es fast nicht bemerkt, doch es kribbelt. Mal wieder. Kein Jucken. Kein Ziehen. Diesmal ist es angenehm. Fast schon schön. Mit jedem Schritt wird es intensiver. Ein unbekannter Rhythmus begleitet von meiner Stimme. Manchmal verpasst sie ihren Einsatz, aber das ist dir egal. Hauptsache es ist nicht mehr so ruhig. In deinen Gedanken.

Wir laufen durch bunte Gassen. Unter uns das Gestern. Vor uns ein Nebel voller Ungewissheit. Doch zwischen uns ist dieses schöne Gefühl der Vertrautheit. Der Nähe. Und das genügt für den nächsten Schritt. Kann man doch nie sagen, wie lange es anhalten wird. Wie lange die Farben jede deiner Bewegungen begleiten. Du fürchtest den Moment, wenn das Licht ausgeht. Plötzliche Schwerelosigkeit für zwei kurze Schläge deines Herzens. Danach ist alles wie zuvor. 

Ich schaue dir immer noch in die Augen.

Du schaust noch immer in Richtung Licht. 

Verlässt ein Mensch dein Leben, so baust du ihm Denkmäler. Malst Bilder aus Erinnerungen und schreibst Lieder zu seiner Rückkehr. Doch da kommt niemand. Ein Zustand des Wartens, der unerträglich wird. Das Warten macht dich schlapp. Entzieht dir das faszinierende Grinsen, auf das du mal so stolz warst. Nun ist es fort. Wie so viele andere Dinge. Wie auch das Kribbeln. Dieser farblose Moment, der dennoch alles strahlen lässt. 

Warum ist dann gerade etwas anders? Ich kann es dir nicht sagen. Du kannst es mir nicht erklären. Aber das Wippen deiner Finger und Zittern deiner Stimme verrät es. Heute kam jemand zurück. Blickt staunend auf deine Denkmäler. Von Bildern umgeben und von Liedern geleitet. Ich kann nicht anders. Nehme dich an der Hand und frage, ob ich ein paar Augenblicke dabei sein darf… 

Du schaust mir zaghaft in die Augen.

Ich schaue noch immer zu dir.

Und das Licht geht aus.

Doch die Furcht. Sie fehlt. 

X

In mir ist es still geworden. Ein leises Echo macht mir klar, wie groß der Raum war. Unser Raum. Gefüllt mit Erwartungen. Ängsten. Geheimnissen. Bekundungen. Jetzt alles leer gefegt. Fenster auf. Tür auf. Durchzug. Mit der letzten Melodie geht auch der Bass. Schatten eines jeden Satzes. Sitze mittendrin. Die Knie an mich gezogen. Zwischen müde und matt spüre ich ein Ziehen. Nach draußen, wo die Anderen lachen. 

Hat mich doch dein Lachen die letzten Monate rausgezogen. Quer durchs Land. Mit Sorgen an der Hand. Haben gezerrt und gemeckert. Sind erst still geworden, wenn die Tür hinter uns ins Schloss fiel. Die Decke uns unsichtbar werden ließ. Bis morgen früh findet uns hier keiner. 

Jetzt die Decke auf dem Fußboden. Ein Kissen. Mein Kopf. Daneben nur kleine Falten im Bettlaken. Haben jedes Wort gehört. Ich hab jedes Wort gehört. Aufgesaugt. Zehnmal in den letzten Tagen umdreht. Erkenne das große Ganze, auch wenn ich die kleinen Punkte lieber mochte. 

Raus hier. Augen weit geöffnet. Aufrecht in Richtung anderswo. Wie es mir geht fragen sie. Außen gut. Innen leer.

VI

Alles muss so. Hat seine Richtigkeit. Seinen Grund. Es zeichnete sich ab und du hast es mit Farbe gefüllt. Die Konturen gestärkt und den letzten Strich gezogen. Jetzt liegt es da – ein Skizzenmeer. Jede Welle zog einen von uns beiden weiter hinaus. Kribbeln an den Händen. Den Füßen. Am Rücken. Manchmal orientierungslos. Manchmal einfach nur losgelöst. Vom Ufer und seinen scharfkantigen Tatsachen. Steine verschwinden nicht einfach so. Müssen weggetragen werden. Stück für Stück. Deshalb reizt das Meer. Reizt alles Neue, das einen leicht fühlen lässt. 

Liege wieder am Ufer. Die Haare noch nass. Salzige Lippen. Hände wieder leer, dafür das Gefühl noch da. Wird irgendwann weniger. Wird irgendwann anders. Zum Aufstehen zu schwach, aber spüre Wärme auf meiner Haut. Sie war immer da. Hat manchmal still beobachtet – und manchmal gewarnt. Heute ist sie einfach nur da.  Steht hoch oben. Erhaben. Zweifellos.

Ich will doch nur ans Meer. Hatte ich dir gesagt. Daraus wurde mehr. Meterhohe Versprechen gefolgt von erwartungsvoller Stille. Jetzt ist da nur noch Stille. Und irgendwann kommt wieder die Flut. Doch dann ist jeder von uns woanders. Ganz oben oder ganz unten. Aber wieder am Schwimmen. Füße fern ab vom Grund. Denn alles muss so.