Nasser Herbstwind treibt mich durch den Hafen. Die Hände in den Hosentaschen – den Blick zu Boden gerichtet. Graue Einsamkeit flüstert mir seit Stunden ins Ohr. Ich habe kaum geschlafen. Dennoch hängen in meinen Haaren schwere Traumsplitter. Stechen kantig, wenn ich mir durch die Haare fahre. Klappernde U-Bahn-Wagons tragen gestresste Seelen durch die Stadt. Ich bleibe stehen. Suche mit meinem Blick nach Bekanntem. Sehe nur Fremdes. Ein Augenblick in Dauerschleife. Ein Augenblick zu viel.
“Pass auf dich auf” sagtest du, bevor ich meinen Rucksack packte und davon marschierte. Mein Rücken schultert deine Worte. Ich pass darauf auf. In Gedanken erzähle ich dir von meinen Reisen. Du schaust mich dabei neugierig an. Hast dir deine Haare hinter die Ohren gestreift und trinkst kalten Kaffee. “Ich hätte dich gerne bei mir gehabt” werfe ich vorwurfsvoll in deine halbleere Tasse. Ein Wunsch, der im Schwarz versinkt.
Wieder fühle ich den Wind auf meiner Haut. Immer und immer wieder die selben Fragen. Immer und immer wieder die selben Antworten. Und trotzdem stehe ich wie ein kleines Kind vor dir. Suchend auf der Jagd nach Erklärungen. Vor mir ein Berg voller Abgründe. Will bestiegen werden, indem man hinunter klettert. Versuche mich an der Hoffnung zu halten, die frei über der Erde schwebt. Ich lasse sie los. Ich lasse dich los. Ich lasse los. Finde im freien Fall den sicheren Sturz. Erkenne in stockfinsterer Nacht jedes Detail. Fassungslos.
Ein kleiner Junge hat sich neben mich gestellt. Blickt mit abenteuerlichem Blick zu den Schiffen. Schielt dann zu mir herüber. Ich grinse ihm zu. Er lacht zurück. Löst in mir eine Welle von Zuversicht, die wärmend meine Jacke flutet. Irgendwann bezwinge ich den Berg. Blicke von unten empor. Und drehe alles auf den Kopf. Mühelos.